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guitar-recording
Aufnahme, Monitoring, Latenz
Nachdem wir beim letzten Mal die
technischen Grundlagen für euer
rechnergestütztes Aufnahmesystem
erläutert haben, geht es nunmehr endlich
an die erste Aufnahme.
Hierfür setzen wir natürlich voraus, dass ihr
euren Computer mit einem Audio-Interface so-
wie einer aufnahmefähigen Recording-Software
bestückt habt. Natürlich überlassen wir dabei
euch die Wahl des Sequencers. Mit Glück habt
ihr vielleicht sogar bereits ein entsprechendes
Produkt in einer Kiste. Oft genug liefern die
Hersteller von Audio-Interfaces nämlich kleine
Versionen bekannter Sequenzer als Einsteigerhil-
fe mit. Damit lässt sich bequem arbeiten, ebenso
wie mit Garageband, das zum Lieferumfang aller
aktuellen Apple-Rechner gehört.
Ein kleiner Tipp betrifft die Linux-Fans unter
euch: Mit Ubuntu Studio (www.ubuntustudio.
org) gibt es eine Linux-Distribution, die auf
Multimedia-Aufgaben spezialisiert ist und einen
Sequenzer bereits implementiert hat – kostenfrei,
wie bei Linux üblich. Dieser Sequenzer ist Pro
Tools sehr ähnlich, und es gelten ähnliche Regeln
wie die hier dargestellten.
erläuternden Screenshots haben wir deshalb in
aller Regel auf den Studiostandard Pro Tools
zurückgegriffen, der nicht nur dort, sondern als
LE- und M-Powered-Version auch im Heim- und
Projektbereich viele Anwender hat und zudem
sowohl auf Mac als auch unter Windows läuft.
Auf die weiteren gängigen Sequenzer werde ich
im Laufe dieses Workshops noch eingehen.
Grundsätzlich ist das Aufnahmeverfahren auf
die digitale Bandmaschine in den meisten Pro-
dukten direkt vergleichbar: Die Software verfügt
über eine horizontale Zeitachse (Timeline), die
den Song- und Aufnahmeverlauf visualisiert. Das
ist überaus praktisch, denn die meisten Songs
haben nun mal einen festen Zeitablauf. Den
kann man also direkt am Bildschirm verfolgen,
sobald die ersten Instrumente aufgenommen
wurden. Eine Einfügemarke markiert dabei die
aktuelle Position im Song. Je weiter der Song
wächst, desto mehr optische Anhaltspunkte habt
ihr also auf dem Bildschirm, was eine zielsichere
Navigation bei punktgenauen Ausbesserungen
erleichtert.
Senkrecht: die Spuren
Die vertikale Achse des Sequenzerfensters stellt
die unterschiedlichen Spuren dar. Im Gegensatz
zu den alten tonbandbasierenden Medien ist die
Technik hier inzwischen weit fortgeschritten.
Zumindest bei den Vollversionen ist die ma-
ximale Spurenanzahl meist nur durch die
G e s c h w i n d i g ke i t
eurer
Festplatte
begrenzt. Und die
kann durchaus auch
hundert oder mehr
Spuren
abspielen
Waagerecht: die Zeit
Klar, dass wir an dieser Stelle nicht alle Se-
quenzer gleichzeitig vorstellen können. Bei den
Timeline ...
... und Mixer in Pro Tools
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und aufnehmen – und benötigt dabei so gut wie
keine Spulzeiten, um die Position zu wechseln.
Mischen possible
Schließlich erfolgt die Lautstärkekontrolle der
Spuren über ein virtuelles Mischpult. Dieses
kann direkt im Aufnahmefenster untergebracht
sein, oder aber in einem separaten Fenster wie
in Pro Tools.
Nun geht es auch schon fast an die erste
Aufnahme. Bevor ihr loslegt, ist es notwendig,
dass euer Audio-Interface richtig eingebunden
ist. Startet hierfür euren Sequenzer und ladet
einen der mitgelieferten Demosongs. Nun über-
prüft ihr die Tonwiedergabe, die ruckel- und
knackfrei erfolgen sollte. Zur Kontrolle ruft ihr
die Voreinstellungen eures Programms auf. Hier
sind nunmehr zwei Dinge zu klären:
Welcher Treibertyp benutzt die Software?
Wenn ihr Anwender von Pro-Tools-Hardware
seid oder Mac OS X benutzt, könnt ihr diese
unten). Abhängig von der Geschwindigkeit eures
Computers und eures Audio-Interface müsst
ihr hier ein wenig probieren, bis sich in der
Praxis ein gutes Spielgefühl einstellt.
Nun geht es endlich an die Aufnahme.
Hoffentlich habt ihr eure Gitarre auch ge-
stimmt? Kleiner Tipp: Oft kann ein Stimm-
ton zu Beginn der Aufnahme später als
Stimmreferenz für weitere Spuren dienen.
Bei der Aufnahme kommt es natürlich darauf
an, ob ihr euren Verstärker über ein Mikrofon
abnehmt, einen Modeler per Line-Eingang oder
eure Gitarre direkt in den Rechner aufnehmen
möchtet. Die richtigen Anschlüsse (Mic, Line, Hi-
Z) sollte euer Audio-Interface natürlich aufwei-
sen. Sehr praktisch für Direktaufnahmen oder für
die Nutzung von Modeling-Plug-ins ist eine D.I.-
Box, die den niedrigen Instrumentenpegel auf
Line- oder Mikrofonniveau anpasst und dabei,
was fast noch wichtiger ist, auch die Impedanz
angleicht.
Waves hat mit dem GTR Studio Guitar Interface eine gün-
stige D.I.-Box im Angebot, die in Zusammenarbeit mit
Paul Reed Smith entwickelt wurde
Jetzt wird’s ernst
Schritt eins: Öffnet einen neuen Song. Je nach
Anwendung erscheint nun ein leeres Arrange-
mentfenster. Ob und wie viele Audiospuren hier
Treiberwahl in Ableton Live: ASIO ...
... und MME/DirectX
Frage ignorieren. Wenn ihr aber unter Windows
arbeitet, solltet ihr den ASIO-Treiber eures Audio-
Interfaces aktiviert haben. MME oder DirectX
solltet ihr hier besser nicht sehen, denn diese
Treiber laufen oft nicht stabil und sorgen für Ver-
zögerungen (Latenzen), die ein genaues Timing
zu einem Glücksspiel werden lässt. Fehlt euch
ein ASIO-Eintrag in der Auswahl des Treibertyps,
etwa weil ihr gar keine spezialisierte Soundkarte
verwendet, dann ist das prinzipiell keine gute
Voraussetzung. In diesem Fall rate ich euch zu
einem echten Audio-Interface. Zuvor könnt ihr
euch allerdings mit einen kostenlosen ASIO-
Universaltreiber aus dem Internet behelfen, den
ihr unter www.asio4all.com herunterladen könnt
und der sich vor allem bei Laptop-Soundkarten
als sehr hilfreich herausstellen kann.
Wie hoch sind die Treiberpuffer eingestellt?
Damit euer Monitorsignal nicht mit einer
spürbaren Verzögerung aus den Lautsprechern
ertönt, ist es sinnvoll, den Treiberpuffer knackfrei,
aber so klein wie möglich einzustellen (siehe
Rassig, robust, extravagant.
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vornehmlich von E- und Bassgitarren.
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bereits vorhanden sind, hängt vom Sequenzer und
dessen Voreinstellungen ab. In Pro Tools muss
man zunächst eine Spur über den Menüpunkt
Track anlegen. Ob es sich um eine Mono- oder Ste-
reospur handeln soll, hängt von der Anwendung
ab. In diesem Bespiel nehmen wir eine Gitarre über
D.I.-Box in den Rechner auf, benötigen also eine
Monospur. Wenn man beispielsweise einen Pod
aufnehmen will, wäre eine Stereospur angebracht.
Schaltet nun auf die Mischpultdarstellung
des Sequenzers um. Hier könnt ihr festlegen,
an welchem Eingang das Audio-Interface
auf-nehmen soll. In quasi jedem Programm
ist die Auswahl der Ein- und Ausgänge
über Pop-up-Menüs gelöst, die sich in den
einzelnen, virtuellen Mischpultkanälen finden.
Um das Eingangssignal überhaupt hören zu
können, muss der Kanal schließlich noch
„scharfgeschaltet“ werden. Drückt hierzu den
Record-Taster.
Da wir in unserem Fall die Gitarre direkt über
eine D.I.-Box in den Rechner einspielen, rufen
wir noch Digidesigns neuen Modeler Eleven als
Plug-in auf. Wenn ihr einen externen Modeler
wie etwa den Pod X3 oder Pod X3 live benutzt,
entfällt dieser Schritt natürlich.
guitar-recording
Wir legen eine neue Spur an ...
Nie ohne Metronom
Für die eigentliche Aufnahme wechselt ihr nach
einem Pegelcheck zurück ins Arrangementfenster.
Nun den Aufnahmetaster im Transportfeld drü-
cken und loslegen. Um rhythmisch in der Spur
zu bleiben, bietet praktisch jede Software ein
unterstützendes Metronom. Mit dem Stop-Taster
wird die Aufnahme beendet.
Natürlich könnt ihr das Tempo des Metronoms
ändern, einen Drum-Loop oder ein umfangreiches
Playback auf weiteren Spuren platzieren, zu denen
ihr spielt. Wir beschränken uns allerdings zunächst
auf die Gitarrenaufnahme, die wir nun mit einer
zweiten Spur doppeln wollen.
Hierzu legt ihr einen neue Audiospur im Se-
quenzer an. Im Mixer kontrolliert ihr den Ein-
gang für die neue Spur und schaltet diese in
Aufnahmebereitschaft. Für die alte Spur müsst ihr
entsprechend die Aufnahmebereitschaft ausschal-
ten, denn ihr wollt ja hier nichts überspielen. Zu-
rück im Arranger, spult ihr zurück an den Anfang
und startet die nächste Aufnahme. Das Ergebnis
könnte so aussehen wie im Screenshot rechts.
... und nehmen unser erstes Signal auf
Besser als eine gute Gitarrenaufnahme? Zwei Aufnahmen!
ner so genannte Zwischenspeicher oder Puffer.
Hier sind sie sicher aufgehoben, selbst wenn es
eine kleine Pause gibt.
sekundenbereich, mit denen ihr als Rockstar leben
könnt – die Schallgeschwindigkeit beträgt etwa
0,343 Meter pro Millisekunde. Bei fünf Metern
Abstand vom Stack bedeutet dies also nahezu
2 ms. Nachdem sich Wireless-Systeme zunehmend
durchsetzen, wird dieser Abstand schnell erreicht
und auch gerne mal überschritten.
Auf modernen Computersystemen muss man
allerdings bereits Durchlaufzeiten (vom Eingang
bis zum Ausgang) zwischen fünf und zehn
Millisekunden als schnell bezeichnen. Hierfür
benötigt man bereits einen schnellen Prozessor
und ein Audio-Interface mit guten Treibern. Steigt
die Latenz weiter, wird es mit dem Einspielen
schnell nervig, weil man seine Tracks kaum noch
timing-genau hinkriegt und damit jeglicher Groove
beim Teufel ist. Je nach „Gitarrenverstärker“ gibt
Pufferzonen
Schon die eingangs erwähnten Treibertypen
und Puffergrößen geben einen Hinweis auf
ein konzeptionelles Problem bei der Arbeit
mit Sound am Computer. Da ein Computer
generell ein beschäftigtes Wesen ist, erledigt er
meist viele Dinge gleichzeitig: die Bildausgabe,
Daten von der Festplatte lesen und schreiben,
Internetseiten aufbauen und vieles mehr. In einem
Textverarbeitungsprogramm mag es nicht stören,
wenn der Rechner sich mal eine Millisekunde
Auszeit nimmt, um die Netzwerkleitung zu
kontrollieren. Bei einer Audioaufnahme hingegen
führt dies zu einer ärgerlichen Lücke. Um solch
einem Datenverlust vorzubeugen, nutzt der Rech-
Latenz nervt
Einen Nachteil hat der Trick natürlich: Bis der
Puffer voll ist, vergeht eine bestimmte Zeit, die
abhängig von der Größe des Puffers ist. Im Klar-
text: Euer Gitarrensignal verlässt den Computer
erst eine Weile, nachdem ihr gespielt habt. Wenn
ihr also „durch den Computer“ abhört, erreicht
euch euer Sound über die Lautsprecher zu spät.
Diese Verzögerung bezeichnet man als Latenz.
Bis zu einem gewissen Grad sind solche
Verzögerungen zu tolerieren. Immerhin entstehen
auch auf großen Bühnen Verzögerungen im Milli-
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Pegel und Aussteuerung
Den richtigen Pegel für die Aufnahme festzulegen, ist unerhört wichtig. Wer hier nicht auf-
passt, der verschenkt unnötig Klangqualität. Fährt man bei einer Tonbandaufnahme mit zu
niedrigem Pegel, wird die Aufnahme leise. Als Folge dreht man den Verstärker weiter auf und
verstärkt damit gleichzeitig das Bandrauschen. Digitale Systeme rauschen zwar nicht, dafür
arbeiten sie mit einer linearen Pegelskalierung. Von völliger Stille bis zur Vollaussteuerung
steht eine feste Anzahl Pegelabstufungen zur Verfügung, in der Regel 16 oder 24 Bit. Reduziert
man nun die Aussteuerung, reduziert man auch die Auflösung. So werden aus 16 Bit schnell
12 oder 13 Bit.
Am anderen Ende der Pegelskala reagieren digitale Geräte sehr viel empfindlicher als das
gute alte Tonband. Hier gilt: Der 0-dB-Wert für Vollaussteuerung darf niemals überschritten
werden! Die Folge wäre digitales Clipping, das einfach nur hässlich klingt. Hier ist eine
kleine Sicherheitszone durchaus angebracht. Und da diese gemäß der ersten Regel zur einer
Auflösungsreduktion führt, ist es sinnvoll, stets mit 24 Bit zu arbeiten und im Mixdown auf die
CD-Auflösung von 16 Bit zu wechseln. Natürlich gelten die gleichen Regeln auch außerhalb
des Computers: Der digitale Modeler sollte ein möglichst lautes Signal liefern, um den
Rauschabstand klein zu halten. Hingegen dreht man einen Mikrofonvorverstärker eben nicht
bedenkenlos auf, weil das Mikrofon konzeptbedingt immer auch Nebengeräusche einfängt.
Mit Eleven haben Digidesign ihren ersten eigenen
Amp-Modeler als Plug-in herausgebracht, der auf allen
aktuellen Pro-Tools-Systemen läuft. Eleven bietet eine
umfangreiche Auswahl authentisch nachgebildeter
Verstärkerklassiker mit zugehörigen Lautsprecherboxen
und Aufnahmemikrofonen
es aber Auswege. Den ungünstigsten Fall haben
wir euch gerade vorgestellt. Ein Modeling-Plug-in
wird vom Computer errechnet, weshalb das Signal
auch den Computer durchlaufen muss – sonst
habt ihr keinen Amp-Sound.
Dafür habt ihr in dieser Konfiguration schon
einen elementaren Vorteil bei der Arbeit mit
Plug-ins kennen gelernt: Dasselbe Produkt könnt
ihr mehrfach einsetzen, in diesem Fall auf beiden
Spuren. Ein weiterer Pluspunkt ist die klangliche
Flexibilität: Tatsächlich habt ihr nämlich ein
trockenes D.I.-Signal aufgenommen. Das könnt
ihr hören, wenn ihr das Plug-in über seinen
Bypass-Taster ausschaltet. Der Verstärkersound
wird also erst bei der Wiedergabe berechnet. Bis
zum Mixdown steht es euch jederzeit frei, am
EQ zu drehen, den virtuellen Amp und die Box
und sogar das Plug-in zu wechseln.
Leichter mit echtem Amp
Mit einem Hardware-Modeler und einem ech-
ten Amp sieht die Sache anders aus. Die
gängige Lösung im Studio ist der Einsatz eines
Mischpults. Hier liegen zwei Signale an: das
Playback aus dem Computer und die Ausgänge
eures Modelers. Beide Signale hört ihr über die
Studioboxen und spielt dazu. Verzögerungen
entstehen hier nicht. Euer Signal wird auf-
genommen, ohne dass ihr es hört. Wenn ihr
kein Mischpult besitzt, könnt ihr euch behelfen,
indem ihr den Kopfhörerausgang eures Modelers
nutzt. Das Playback spielt ihr über den Aux-
Eingang des Modelers ein. Sollte solch ein
Eingang fehlen, könnt ihr das Playback auch
über eure Lautsprecher wiedergeben und den
Kopfhörer halb aufsetzen.
Geschafft!
Es ist soweit. Ihr habt die ersten digitalen Gi-
tarrenaufnahmen im Kasten. Ganz klar: Übung
macht hier den Meister. Ihr solltet euch mit den
Grundfunktionen eures Sequenzers vertraut
machen, etwa indem ihr komplette Tracks als
Playback ladet und dazu ein paar Riffs und
Soli spielt. Natürlich immer bei optimaler
Aussteuerung.
g
In diesem Sinne: Bis zum nächsten Mal!
Ulf Kaiser
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