© PPVMEDIEN 2008
tune it yourself
Abb. 1:
Kleines Ding mit großer Funktion: der Sattel
Doc Schneider
Das kleine Ding
mit der großen
Wirkung
Willkommen zur nächsten Etappe eines
kompletten Einstellservice bei einer neu
erworbenen E-Gitarre. Nach Griffbrettpflege
(TIY 12/07) und dem Überprüfen der
Halskrümmung (TIY 1/08) geht es nun mit
einem Bauteil weiter, das von seinen Maßen
her zwar klein ist, dessen Bedeutung im
Zusammenhang aber um so größer ist:
dem Sattel.
Kurz zur Definition: Der Sattel sitzt an der Kopf-
platte des Instruments und stoppt hier die Saiten
ab. Verwirrend kann der englische Begriff „saddle“
sein, der ja ebenfalls „Sattel“ bedeutet. Nur meint
der englischsprachige Raum mit seinem „saddle“
nicht das beschriebene Bauteil an der Kopfplatte,
sondern er bezeichnet das genau am anderen Ende
der schwingenden Saite liegende Bauteil, das im
Deutschen als „Stegeinlage“ bezeichnet wird oder
auch – je nach Zusammenhang – als „Einzelreiter“
einer E-Gitarre. Der deutsche „Sattel“ wird im
Englischen mit „top nut“ oder auch nur „nut“
bezeichnet. So viel zum „wo er sitzt“, nun zum
„was er soll“: Der Sattel hat bei einer Gitarre zwei
wichtige Funktionen. Zum einen definiert er den
Abstand von Saite zu Saite (Saitenabstand oder
String-Spacing), und zum anderen bestimmt er
die Saitenlage im Bereich der unteren Bünde, das
heißt, er bestimmt den Abstand der Saiten zu den
Bünden bei den Leersaiten.
Das String-Spacing gibt selten Anlass zur
Optimierung. Die maschinell geschnittenen Nu-
ten teilen die Griffbrettbreite gleichmäßig auf.
Die beiden äußeren Saiten (E – e) sitzen meistens
Abb. 2:
Überprüfen der Sattelhöhe
Abb. 3:
Überprüfen der Sattelnut
3,3 bis 3,5 mm von der Griffbrettkante entfernt,
und der verbleibende Rest teilt sich auf die fünf
Saitenlücken auf
(Abb. 1).
Dadurch werden
die Lücken der Bass-Saiten etwas enger (durch
ihre Dicke) als die Lücken der Treble-Saiten (die
Mittelpunkte der Saiten sind jedoch gleichmäßig
verteilt). Ein anderer Ansatz ist häufig im Bereich
des klassischen Gitarrenbaus zu finden.
Hier werden die verschiedenen Saitenstärken
berücksichtigt und die Saitenlücken gleich groß
gelassen. Beides funktioniert, und die maschinelle
Fertigung erledigt den Job in der Regel akkurat
und ohne Beanstandungen. Dafür liefert der Sat-
tel in seiner zweiten Funktion (Saitenhöhe) jedoch
sehr häufig Anlass zur Optimierung. Genau wie
die korrekt eingestellte Halskrümmung ist ein
sauber gefeilter Sattel Grundvoraussetzung für
eine komfortable Gitarreneinstellung. Was kann
falsch sein? Was ist sauber gefeilt?
Abb. 4:
Nachsägen der Sattelnut
Tipp: Um einen zu tiefen und somit defekten
Sattel zu kaschieren, geben die schwarzen
Schafe des Onlineverkaufs dem Hals schon mal
eine übermäßige Krümmung. Dadurch wird der
Abstand der Leersaite zum Bund wieder größer
und ein Scheppern eventuell vermieden (siehe
TIY 1/08, Abb. 11). Der gekrümmte Hals, der
natürlich eine hohe Saitenlage zur Folge hat,
wird schnell mit der Floskel „Muss noch ein
bisschen eingestellt werden“ abgetan. Stellt man
den Hals dann aber ein, zeigt der zu niedrige
Sattel seine Wirkung und muss dann – meist
auf eigene Kosten – repariert werden. Also: erst
checken, dann kaufen.
Auch nicht gut: zu hoch
Am anderen Ende des Spektrums liegt die
Extremsituation 2: Hier laufen die Leersaiten
zu hoch über die ersten Bünde. Das Scheppern
der Leersaiten ist somit kein Problem mehr.
Allerdings mutiert ein F-Barré zu einem wahren
Kraftakt. Darüber hinaus werden die Saiten
oft aus der Stimmung gezogen, was sauberes
Akkordspiel nur sehr schwer möglich macht.
Gutes Beispiel: der offene E-Dur-Akkord. Immer
etwas problematisch: das Gis auf der G-Saite im
ersten Bund. Auch wenn der Sattel okay ist, kann
hier durch zu starkes Drücken das Gis sehr leicht
verstimmt werden. Ist die Sattelnut zu hoch,
Schlecht: zu tief
Extremsituation 1: Ist die Nut im Sattel zu tief
ausgearbeitet oder verschlissen, läuft die Leersaite
zu nah über den ersten Bund, und es kommt
sehr leicht zu einer Berührung der schwingenden
Saite auf dem Bundstab, was ein Scheppern der
Leersaite hervorruft. Wenn die Saite, gegriffen am
ersten Bund, wesentlich weniger scheppert als die
Leersaite, ist wahrscheinlich die Sattelnut zu tief.
140
guitar
2/08
© PPVMEDIEN 2008
Abb. 5:
Hier gibt es nichts zu feilen: der Klemmsattel
Abb. 6:
Bearbeiten des Plateaus
Abb. 7:
Überprüfen der Höhe
wird dieser Effekt verstärkt. Die Gitarre ist zum
einen unkomfortabel zu spielen (da mehr Kraft
benötigt wird), und zum anderen klingt sie oft
etwas orientalisch (da die Saiten leicht aus der
Stimmung gezogen werden). Irgendwo zwischen
Situation 1 und Situation 2 liegt der „korrekt“
gefeilte Sattel. Aber wo?
Abb. 8:
Auch ein „Von-unten“-Kandidat: Fender-Rollen-
sattel, genau wie ...
Gute Saiten der Männer
Ich hatte ja geraten, den kompletten Service
so realitätsnah wie möglich zu machen. Zur
Erinnerung: Es wurde eine Gitarre ersteigert,
die nun auf die persönlichen Bedürfnisse
maßgeschneidert wird. Die .008er- auf .038er-
Saiten des Vorbesitzers wurden entfernt und
„Männersaiten“ von .010 auf .052 aufgezogen.
Anhand dieses fiktiven Kaufs wird nun der Sattel
optimiert. Bei der gestimmten Gitarre zeigt der
Test aus
Abb. 2
ganz gut, was los ist.
Wird die Saite am 3. Bund abgedrückt, zeigt
sich schön transparent, wie das Verhältnis Bund
zu Sattel ist. Liegt die Saite am ersten Bund auf,
ist der Sattel zu tief. Um leer sauber schwingen
zu können, braucht die Leersaite Raum. Es muss
also ein kleiner Spalt zwischen Saite und Bund
bleiben
(Abb. 2).
Nach meiner Erfahrung reicht
ein Spalt von 0,1 mm oder auch weniger aus,
damit die Leersaite ebenso sauber klingt wie die
gedrückte Saite am ersten Bund. In der Praxis
arbeitet man sich pro Saite langsam an den
gewünschten Zustand heran. Die Saite wird nach
oben aus der Nut gehoben
(Abb. 3)
und die Nut
anschließend mit einer geeigneten Feile tiefer
ausgearbeitet
(Abb. 4)
– die Feilen gibt es im
Fachhandel oder aber im Internet, zum Beispiel
via www.stewmac.com.
Saite wieder einsetzen und wie auf
Abb. 2
testen. Den Vorgang in kleinen Schritten
wiederholen. Lieber einmal mehr testen, als zu
Abb. 9:
... der LSR-Sattel
viel wegnehmen. Ist es passiert (gemeint ist hier:
die Nut zu tief geraten), kann diese mit etwas
Sekundenkleber wieder aufgefüllt und nachgefeilt
werden. Bei den dicken (umsponnenen) Saiten
sollte darauf geachtet werden, dass die Nuten breit
genug gefeilt sind, damit die Saiten sich nicht
verklemmen (führt zu Verstimmungsproblemen).
Platz muss sein
Test: Die Saite sollte sich, ohne zu „hakeln“, nach
oben aus der Nut heben lassen
(Abb. 3).
Ich erziele
sehr gute Ergebnisse, wenn beim Test wie in
Abb.
2
auf den hohen Saiten nur ein ganz kleiner
Abstand (der berühmte „Zigarettenpapiertest“)
übrig bleibt. Im Bassbereich lasse ich etwas mehr
Luft – dann haben die Leersaiten etwas mehr
Freiraum. So gefeilt, drückt sich ein F-Barré fast
von selbst, und das Gis bleibt ein Gis. Nachteil:
Die Lebensdauer des Sattels wird verkürzt. Nicht
nur Feilen und Sägen vertiefen die Nuten des
Sattels, auch die Saiten knabbern sich langsam,
aber stetig ins Material. Und mit der Zeit wird die
Nut dann einfach zu tief.
Trotz der dann zu erwartenden Reparatur
empfehle ich, beim Feilen des Sattels durchaus
Caps
guitar
und mehr:
T-Shirts
musik-meinl.de
planetwaves@musik-meinl.de
141
shop
musik-meinl.de
© PPVMEDIEN 2008
tune it yourself
Abb. 10:
Verschiedene Nullbund-Situationen
an die Grenzen zu gehen, da die Verbesserung
des Spielkomforts enorm sein kann und ein
harter Knochen oder auch ein harter Kunststoff
der Saite durchaus einige Zeit Paroli bieten kann,
bevor der Sattel sich dem Verschleiß ergibt.
Bis jetzt ohne Anteilnahme gucken die Be-
sitzer von Gitarren, die gar keinen „normalen“
Knochensattel haben. Sägen und Feilen ergibt
zum Beispiel bei einem Klemmsattel
(Abb. 5)
gar keinen Sinn. Um hier die Sattelhöhe zu
optimieren, wird anders vorgegangen. Ergibt
der nach wie vor gültige Test aus
Abb. 2
einen
zu hohen Sattel, muss von dem Plateau, auf dem
er sitzt, mit einer Feile etwas Holz weggenom-
men werden
(Abb. 6).
Langsam und in kleinen
Schritten wird etwas Holz entfernt.
Gleiches gilt für eine andere Variante des Sattels,
den Nullbund
(Abb. 10).
Hier teilen sich zwei
Bauteile die Aufgabe des Sattels. Zum einen der
Saitenabstandshalter (in verschiedenen Formen
– auf den Abbildungen links zu sehen), zum
anderen der Bund (eben der Nullbund), der die
Saitenhöhe reguliert. Damit nicht das Problem
„Sattel zu tief“ eintritt, wird hier ein höherer
Bundtyp als auf dem Rest des Griffbrettes
verwendet. Diesen gilt es nun (falls notwendig
– das zeigt auch hier der Test aus
Abb. 2),
auf
die richtige Höhe zu bringen.
Auch wenn durch die verschiedenen Satteltypen
diese Etappe etwas komplex zu sein scheint, geht
es in letzter Konsequenz darum, den Sattel so zu
optimieren, dass ein bequemes Spiel ohne zu viel
Scheppern der Leersaiten möglich ist. Ob es ein
Tune-it-Yourself ist, muss jeder für sich selbst
entscheiden. Schließlich braucht man schon
ein wenig Spezialwerkzeug (Feilen, etc.), dessen
Kauf sich nur dann rechtfertigt, wenn mehrere
Instrumente bearbeitet werden sollen.
Mit den beschriebenen Methoden kann man
nun selbst prüfen, ob der Sattel okay ist oder nicht.
Sollte Letzteres der Fall sein, greift mit Sicherheit
eine Fachwerkstatt kompetent ein und gibt dem
Sattel den letzten Schliff. Das wird zwar ein paar
Euros kosten, aber die Anschaffungskosten für
das Werkzeug entfallen.
Fälle für Fachleute
Dazu wird der Bund nicht gekerbt oder eingesägt
(das könnte beim Saitenziehen zu einem
„Klicken“ führen, da die Saite aus der recht
flachen Kerbe herausgezogen wird), sondern
dem Bund wird an seiner Oberkante Material
weggefeilt, bis die gewünschte Höhe erreicht
ist. Anschließend wird er verrundet, so dass die
Auflagefläche für die Saite genauso definiert
und glatt ist wie bei einem normalen Bund.
Zum Überprüfen der Bundhöhe beim Feilen
kann auch hier ein Lineal dienen (ähnlich
Abb. 7).
Ist der Nullbund zu tief, muss er ent-
fernt und durch einen frischen, höheren aus-
getauscht werden.
Nullbund ist auch ein Bund
Zwischendurch kann mit einem geraden Ge-
genstand (etwa einem Lineal) immer wieder
geprüft werden, ob noch mehr weg muss
(Abb.
7).
Das Gleiche gilt auch für Fender-typische
Rollensättel
(Abb. 8 und Abb. 9).
Sitzen diese
Satteltypen zu tief, muss „unterfüttert“ werden,
das heißt, es müssen Metall- oder Holzplättchen
unter die Sättel gelegt werden, bis die Höhe
stimmt. Ein oftmals müßiger Vorgang, der mei-
stens mehrere Ansätze benötigt, bis „es passt“.
So geht’s weiter
Bei der fiktiven Mustergitarre musste lediglich
die Nut der E- und A-Saite mit einer kleinen
Schlüsselfeile aufgefeilt werden. Nun ist die
Bespielbarkeit im Bereich des Sattels ganz okay.
Damit es aber richtig komfortabel und stimmig
wird, geht es in der nächsten Etappe von der
Saitenlage über die Intonation vorbei an der
Pickup-Einstellung rasant ins Ziel.
g
Doc Schneider
Die besten Songs
aller Zeiten!
Acht legendäre Songs zum Mitrocken
Hol dir die größten Gitarrenbands aller Zeiten für eine Session ins Wohnzimmer: Diese einzigartige Songsammlung
bietet dir druckvolle Playalongs und Transkriptionen von 8 legendären Originalaufnahmen zum Mitrocken.
Folgende Nummern wurden von der Guitar-Redaktion ausgewählt: Highway to hell (AC/DC), Nothing else matters
(Metallica), The number of the beast (Iron Maiden), After dark (Tito & Tarantula), Cocaine (J.J. Cale), Cold Shot
(Stevie Ray Vaughan), Yellow (Coldplay), Running with the devil (Van Halen).
Ab Ende November erhältlich!
Best of Guitar, ca. 100 Seiten, inkl. CD, Euro 24,90
Jetzt gleich bestellen: www.ppvmedien.de
142
guitar
2/08
Bestellhotline: 08131/56 55 68 (Mo-Fr 08:00-18:00)
PPVMEDIEN GmbH
Postfach 57
D-85230 Bergkirchen
www.ppvmedien.de