Tune it yourself Gib der Banane keine Chance
© PPVMEDIEN 2007
tune it yourself
Abb. 1:
Durch Zug zur Banane
Doc Schneider
Gib der Banane
keine Chance!
Die Mission: Ein neu erworbenes Instrument
auf die persönlichen Bedürfnisse optimieren.
Fiktiv wurde in der letzten TIY-Ausgabe eine
Gitarre erworben und soll nun durch einen
kompletten Einstellservice an den persönlichen
Geschmack in Sachen Saitenstärke, Saitenlage,
Stimmung usw. angepasst werden. Dazu wurde
die „Neue” schon mal aufpoliert und neu besaitet
(siehe TIY 12/07).
q
Abb. 2:
Sorgt für Gegenzug im Hals: der T-Rod
Einstellen der Halskrümmung
Um wieder möglichst realitätsnah den Einstell-
service darzustellen, wird folgende Situation an-
genommen: Der Vorbesitzer war ein Fan sehr
dünner Saiten und hatte die Gitarre mit .008er auf
.038er Saiten bespannt und darauf eingestellt. Für
ihn lief alles optimal. Viele Musiker bevorzugen
aber dickere Saiten. Daher wird auf das neue
Instrument nach der erfolgten Griffbrettpflege
ganz erwartungsvoll ein Satz .010er auf .052er
Abb. 3:
Die „Anker” des T-Rods
aufgezogen. Endlich auf Stimmung gebracht, ist
jedoch die zuvor flache und akzeptable Saitenla-
ge zu einer wahren Flitzebogensituation mutiert.
Ein Spielen der Gitarre ist nur mit sehr großen
Kraftaufwand möglich (schön transparent ist hier
die Abb. 9, Ausgabe 12/07). Was ist passiert? In
den meisten Fällen braucht man sich nun gar nicht
aufzuregen und zu glauben, der Verkäufer habe
einen hinters Licht geführt, sondern man ist ganz
einfach Zeuge angewandter Physik. Während
© PPVMEDIEN 2007
Abb. 4:
Typischer T-Rod mit Zugang am Kopfende
Abb. 6:
Ausgefallen: Einstellen des T-Rods bei einer alten
Gretsch
Abb. 5:
Eine klassische Situation am Halsende zur
Korpusseite
die dünnen Saiten mit ihrer verhältnismäßig
geringen Zugkraft den Hals nur wenig belasten,
ziehen die dicken Saiten wesentlich mehr an
ihm. Sie ziehen den Hals in eine Kurve, die sich
nach oben (Richtung Decke) beugt. Die Saiten
laufen nun weiter entfernt vom Griffbrett als
vorher
(Abb. 1).
Leider ist das naheliegende
Herunterdrehen der Saitenlage am Steg nicht der
richtige Ansatz.
Abb. 7:
Versteckt: T-Rod-Einstellung unter dem Sattel bei
einer Tama
aufkam. So hatte schon in den 1920er Jahren der
damalige Gibson-Angestellte Thaddeus McHugh
die Idee: Wenn auf der einen Seite die Saiten
den Hals krumm ziehen, dann müsste doch ein
Metallstab im Hals dem Zug entgegenwirken
können. Mit einem Gewinde und einer Mutter
kann der Hals auf der Unterseite „auf Zug gebracht
werden” und somit den Saitenzug ausgleichen.
Clevere Idee – der Truss-Rod (Halseinstellstab)
war erfunden (hier im Zeitraffer/Patent vergeben
im Jahr 1921).
Abb. 2
zeigt das Objekt in einem
aufgeschnittenen Hals. Schön zu erkennen ist der
leicht gebogen eingesetzte Metallstab. Er sitzt im
Bereich des Halsfußes in einem festen Anker
(Abb.
3 unten).
Am gegenüberliegenden Ende
(Abb. 3
oben)
hat er ein Gewinde, auf dem eine Mutter
sitzt. Diese Mutter drückt gegen eine Metallplatte
(Anker) und kann somit den T-Rod ziehen oder
loslassen. Dreht man die Mutter an, zieht sie
am T-Rod und erhöht somit den Zug auf der
Unterseite des Halses – der Hals wird nach hinten
(Richtung Korpus des Instrumentes) weggezogen.
Löst man die Mutter, entspannt sich der Stab,
und der Hals bewegt sich nach vorne und gibt
dem Saitenzug mehr nach. Dabei arbeitet die T-
Rod-Mutter – sehr transparent – wie eine ganz
normale Mutter. Rechts herum gedreht, zieht sie
sich fester auf den T-Rod – der Stahlstab wird
Warum ist der Halsstab krumm?
Ein zu stark gekrümmter Hals ist eine sehr
schlechte Ausgangssituation, um eine Gitarre
komfortabel einzustellen. Um dem Saitenzug
Paroli zu bieten, könnten die Hersteller von
Gitarren die Hälse natürlich einfach dicker
machen, um ein Verziehen des Halses durch
den Saitenzug zu verhindern. Aber zum einen
sind Baseballschläger-ähnliche Hälse nicht je-
dermanns Sache, zum anderen wäre es doch
extrem hilfreich, wenn man Hälse komforta-
bel dünn machen könnte, um sie dann auf
verschiedene Zugkräfte oder unterschiedliche
Klimabedingungen und das damit verbundene
leichte Schwinden und Quellen des Holzes ein-
stellen zu können. Ein Wunsch, der schon in
der frühen Entwicklungsgeschichte der Gitarre
© PPVMEDIEN 2007
tune it yourself
angespannt: gerader Hals. Links gedreht, löst
sich der Stab: gekrümmter Hals. Dieser simple,
aber effektive Aufbau des Stahlstabes wird bis
heute bei vielen Gibson-Gitarren verwendet und
funktioniert nach wie vor sehr gut.
Typ und Anordnung des Stahlstabes sind
jedoch von Hersteller zu Hersteller verschieden.
Mal sitzt die Einstellschraube am Kopfende des
Halses und kann mit einem speziellen Schlüssel
gedreht werden
(Abb. 4).
Mal sitzt sie am
Halsende (Korpusseite) und kann mit einem
entsprechend breiten Schraubendreher bewegt
werden
(Abb. 5).
Dann gibt es wieder Hersteller,
die es ganz spannend machen (Abb.
6:
Gretsch,
Abb. 7:
Tama). Andere wollen es extrem genau
machen und setzen zwei Stäbe in den Hals
(Abb.
8:
Rickenbacker). Hier kann man, der
Idee nach, den Zug im Bereich der Bass- und
Treblesaiten unterschiedlich einstellen.
Abb. 9:
Gefährlich weich: China-T-Rod-Mutter
Einstellen leicht gemacht
Neben den gezeigten Klassikern gibt es mitt-
lerweile verschiedenste Ansätze, die Zugkräfte
am Hals zu bändigen, zum Beispiel „Doppel-
T-Rods”, bei denen sich zwei Metallstangen
gegeneinander verschieben, um so den Hals zu
bewegen, oder „Two Way T-Rods”, die den Hals
in beide Richtungen regulieren können. Letztere
sind hilfreich, wenn sich der Hals nach hinten
verzogen hat und die Saiten es nicht schaffen,
dem Hals eine leichte Krümmung zu geben.
Egal ob Vintage, Double oder Two Way: in
99 Prozent der Fälle gilt das schon eben erklär-
te Prozedere: Die Einstellschraube wird zum
Spannen des Stabes rechts herum gedreht: Der
Hals wird gerader. Links herum wird sie gedreht,
um den Stab zu entspannen und dem Hals somit
einen größeren Durchhang zu geben.
Obwohl der Vorgang auf dem Papier recht
einfach klingt, ist etwas Vorsicht geboten, da zu
viel Eifer und vor allem Kraft einen einstellbaren
T-Rod ruckzuck in einen toten Metallstab ver-
wandeln können, wenn das Gewinde abgedreht
oder die Mutter rundgedreht wird. Gerade bei
den günstigen Chinamodellen sind die T-Rod-
Muttern oftmals so weich, dass ein Anziehen
gar nicht möglich ist, da bei der erforderlichen
Kraft sich nicht der Hals bewegt, sondern sich
lediglich die Mutter deformiert und verabschiedet
(Abb. 9).
Im extremen Fall kann ein T-Rod auch
abreißen, und die Mutter mit einem Stück
Gewindestange in der Mitte ist völlig von dem
verbleibenden Rest des Stabes getrennt. Ein
großes Problem, da die Reparatur eines solchen
Schadens sehr aufwändig wird. Trotzdem muss
man, um einen Stahlstab einzustellen, keinen
fünfjährigen Lehrgang in einem tibetanischen
Kloster absolviert haben, sondern man braucht
in der Regel nur etwas Maß, um nicht zu viel
Kraft anzuwenden. Ohne zu viel Kraft – aber mit
dem gut passenden Werkzeug gepackt – geht in
den seltensten Fällen etwas schief.
Psychologisch gestärkt und mit der nötigen
Information versorgt, kann nun ganz gelassen
das Etappenziel angegangen werden und der Hals
des fiktiven Gitarrenkaufs auf die Saitenstärke
Abb. 8:
Noch mehr T-Rod: Rickenbacker-Bass mit zwei T-Rods
Abb. 10:
Überprüfen des Durchhangs
Abb. 11:
Starker Durchhang: Die Saitenlage wird sehr hoch
Abb. 12:
Radikales „Tieferlegen” am Steg führt zu keinem brauchbaren Ergebnis
Abb. 13:
Zu viel Zug am Hals: Hals zieht nach hinten
angepasst werden. Das Ziel ist es, dem Hals eine
leichte Krümmung nach oben zu geben. Diese
leichte Krümmung gibt der Saite gerade in den
tiefen Lagen mehr Freiraum zum Schwingen.
Dadurch scheppern die Saiten bei härterem
Anschlag weniger als bei einem ganz geraden
146
guitar
1/08
© PPVMEDIEN 2007
tune it yourself
Abb. 14:
Brauchbarer Durchhang, um eine gute Saitenlage zu erzielen
Hals. Um den Durchhang (die Krümmung) zu
überprüfen, gibt es zwei Möglichkeiten. Erstens:
Man schaut am Griffbrett entlang und macht sich
so ein Bild. Zweitens und für mich genauer: Man
drückt eine Saite am ersten und am ca. 15. Bund
ab
(Abb. 10).
Die Saite wirkt nun wie ein Lineal.
In der Mitte der abgedrückten Saite zeigt die
Saite nun sehr gut, was mit dem Hals los ist.
Liegt sie komplett auf, ist der Hals zu gerade,
und die T-Rod-Mutter sollte etwas gelöst werden.
Schwebt sie nur ganz leicht über den Bünden (ca.
0,1 bis 0,2 mm), ist der Hals okay: Für härteren
Anschlag (Akustik) kann es aber auch mal etwas
mehr sein. Ist der Durchhang sehr groß (über
0,3 mm), sollte der Halsstab leicht angezogen
werden, um den Hals etwas zu begradigen.
Der ganz Genaue kann den Durchhang ja mit
einer Fühlerlehre nachmessen (dann Capo am 1.
Bund setzen – sonst fehlt die dritte Hand). Von zu
viel „Zehntelmillimeterfanatismus” rate ich aber
ab. Ist auch gar nicht nötig. Mit der Zeit bekommt
man ein Auge dafür, wie viel Durchhang okay ist.
Daher ruhig mal von Zeit zu Zeit den Durchhang
prüfen, da sich so das Bild einprägt und eine
Aussage über den Hals auch ohne Messtechnik
möglich wird. Es geht ja in letzter Konsequenz
immer noch um das Spielen der Gitarre und nicht
um das ständige Vermessen.
Nachdem nun die Banane besiegt ist, kann das
Instrument schon mal probegespielt werden. Das
Spielen dürfte nun wesentlich weniger Kraft ver-
langen als vorher. Somit ist das Etappenziel er-
reicht, aber irgendwie lässt sich die Gitarre im Be-
reich des Sattels immer noch schwer spielen (zur
Erinnerung: Problemzone eins aus Guitar 12/07).
Die dicke E-Saite sitzt gar nicht richtig in der Nut,
und ein F-Barré ist alles andere als komfortabel.
Hier lässt sich durch Optimieren des Sattels noch
jede Menge Spielkomfort aus dem Instrument
herauskitzeln. Aber dies wird eine andere Etappe,
die im nächsten Heft genommen wird.
g
Doc Schneider
Mit Ruhe zum Erfolg
In der Praxis könnte das Szenario wie folgt aus-
sehen.
Abb. 11
zeigt den jetzigen Zustand der
„Neuen“: Die Saiten ziehen den Hals zur Bana-
ne. Auch ein völliges Herunterdrehen der Saiten
am Steg bringt gerade in den mittleren Lagen
keine gute Saitenlage
(Abb. 12).
Im Gegenteil:
Die Saitenlage wird zu den hohen Bünden hin
immer flacher. Noten, die hier gespielt werden,
klingen kaputt (zu viel Scheppern) oder sterben
beim Saitenziehen sofort ab, da sie sehr schnell
gegen die nächsthöhere Bünde schlagen oder
gar aufsetzen. Also wird der Steg erst einmal so
gelassen, wie er ist, die Saiten werden entspannt
und der Halsstab kräftig angezogen. Nun wird
die Gitarre wieder auf Stimmung gebracht, und
es ergibt sich folgendes Bild
(Abb. 13).
Die
Saitenlage ist zwar supergut, das Instrument
aber erst ab dem ca. 3. Bund spielbar, da der
Hals überzogen wurde und sich jetzt zu sehr dem
Saitenzug widersetzt. So eingestellt, schlagen die
Saiten im Bereich des ersten bis dritten Bundes
sehr schnell auf die nächsthöheren Bundstäbe.
Nun lässt man die Mutter leicht kommen, löst
sie etwas, bis der Test aus
Abb. 10
einen leichten
Durchhang zeigt. Bei einigen Instrumenten geht
dies sehr komfortabel mit aufgezogenen Saiten
(beispielsweise Gibson Les Paul), bei anderen
Instrumenten müssen die Saiten wieder runter
und der Hals vom Korpus abgeschraubt werden
(viele Vintage-Modelle). Hier dauert es unter Um-
ständen etwas länger, bis die gewünschte Kurve
gefunden wird. Mit der nötigen Ruhe sollte die
auf
Abb. 14
dargestellte Situation eintreten: Der
Hals ist leicht durchgebogen. Der Begriff „leicht
durchgebogen” variiert von Musiker zu Musiker.