Tune it yourself Willkommen zum Finale
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tune it yourself
Willkommen zum Finale!
Im letzten Teil unseres Komplett-Einstellservices nehmen wir die grob eingestellte Gitarre
zur Hand und nehmen das Feintuning vor. Dabei sind die Hürden Saitenlage und Kompen-
Doc Schneider
Zur Erinnerung: Begleitet wird der komplette
Einstellservice einer Gitarre. Fiktiv wurde eine
Gitarre gekauft und zunächst gesäubert und
gepflegt, bevor sie dann auf die persönlichen
Bedürfnisse des jeweiligen Spielers eingestellt
wurde. TIY 1/08 beschrieb, wie der Hals einer Gitarre
eingestellt wird, und in Ausgabe 2/08 wurde der
Sattel optimiert. Beides sind wichtige Grundlagen
für eine optimal eingestellte Gitarre. Daher hier
auch einmal der Hinweis, dass unter www.guitar.
de in der Sektion „Einzelartikel“ fehlende Artikel
für einen schmalen Euro nachgekauft, sprich:
heruntergeladen werden können. Sehr hilfreich,
da ohne die schon durchfahrenen Etappen der
vorangegangenen Ausgaben der TIY-Rubrik eine
erfolgreiche Zielfahrt kaum möglich ist.
sation zu umschiffen, bevor wir endlich mit unserem Instrument rundum zufrieden sind.
Abb. 1:
Messen der Saitenlage
Abb. 4:
Mit Rille: das Vibratosystem einer PRS-Gitarre
Scheppern und was man dagegen tut
Status quo: Die Gitarre ist nun mit den Saiten der
persönlichen Wahl bespannt und durchgestimmt.
Der Hals weist eine leichte Krümmung auf, der
Sattel wurde überprüft und für okay befunden.
Nun wird mit dem ersten Probespiel die Zielfahrt
eingeläutet, die mit etwas Nachjustieren auch
die Schikanen Saitenlage und Oktavreinheit
bequem durchlaufen wird. Obwohl nun schon
ein wenig Arbeit in die Gitarre geflossen ist,
kann es sein, dass beim ersten Anspielen keine
spontane Spielfreude aufkommt. Denkbar ist zum
Beispiel ein zu starkes Scheppern der Saiten auf
den Bundstäben oder aber eine recht schwer zu
spielende Gitarre. Schon ist man bei der ersten
Schikane: der Saitenlage. Mit „Saitenlage“ wird im
Allgemeinen der Abstand von der Oberkante eines
Bundstabes zur Unterkante der Saite bezeichnet.
Bei einer hohen Saitenlage liegen die Saiten dem-
entsprechend hoch über den Bünden, bei einer
niedrigen Saitenlage sind die Saiten sehr nah an
den Bundstäben. Um die Saitenlage zu bestimmen,
geht nach meiner Erfahrung nichts ohne ein kurzes
Messen. Mal eben drüberschauen und meinen, die
Saitenlage sei okay, täuscht häufig. So suggerieren
zum Beispiel hohe Bünde eine hohe Saitenlage, da
die Saiten weiter vom Griffbrett entfernt laufen. Ist
aber meistens nicht so, da der Abstand Saite zu
Bund durchaus okay sein kann.
Damit ich nicht erst raten und rätseln muss,
verwende ich in meiner Werkstatt ein kleines
Lineal, um die Saitenlage zu messen
(Abb. 1).
Bei
Abb. 2:
Einstellmöglichkeiten am klassischen „Ashtray“
einer Fender Telecaster
Abb. 3:
Vintagesystem à la Fender Stratocaster
einer komfortablen E-Gitarre messe ich am 12.
Bund ca. 1,3 mm „Luft“ bei der hohen E-Saite und
ca. 1,7 mm bei der tiefen E-Saite. Vorausgesetzt
natürlich, Krümmung und Sattel sind okay.
Macht der Hals die Banane (TIY 1/08, Abb. 11),
haben diese Zahlen keine Bedeutung, da sie nicht
funktionieren werden. Die restlichen Saiten sollten
Abb. 5:
Fender-American-Standard-System (oben) und
Wilkinson-System (unten)
sich kontinuierlich von 1,3 auf 1,7 mm anpassen
und dem Griffbrettradius folgen. Bevor jetzt eine
panikartige Messorgie ausbricht: Ruhe bewahren.
So wichtig ist jedes einzelne Zehntel nun auch
nicht, dass man sich im Lineal festbeißen sollte.
Der sanfte Jazzer mit Filzplektrum kommt mit
einer noch niedrigeren Saitenlage klar, während
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Abb. 6:
Der Tune-o-Matic-Steg und seine Einstellmöglichkeiten
der hart anschlagende Countryman durchaus
seine 2 auf 2,5 mm braucht. Es geht hier also
nicht so sehr um das konsequente Einstellen nach
Zahlen, sondern die Zahlen sollen nur helfen, den
persönlichen Geschmack zu kontrollieren und
später reproduzieren zu können. Daher sind die
1,3 auf 1,7 mm nur eine Ausgangssituation, die
für viele Spieler mit Sicherheit gut funktionieren
wird. Wem es zu sehr scheppert, der kann nun
die Saitenlage Stück für Stück erhöhen, bis sein
Geschmack getroffen ist. Lediglich die Physik setzt
hier nach meinen Erfahrungen Grenzen. Selbst
bei allem Respekt vorm „Tiefenwahn“ wird alles
unter einem Millimeter zum „Pling-Plong“ ohne
wirklichen Ton mit Charakter. Hier hilft zum
Beispiel ein Nachmessen, um zu kontrollieren, ob
die Saiten dem Griffbrettradius folgen.
Saitenlage beeinflusst werden. Man kann so die
Saitenlage grob voreinstellen und dann an den
Einzelreitern die Feinjustierung vornehmen.
Ähnlich arbeiten das American-Standard-Sys-
tem und das Wilkinson-System auf
Abb. 5.
Bei die-
sen Systemen regulieren zwei Gewindeschrauben
Abb. 7:
Einstellen der Kompensation
anstelle der sechs Schrauben mit Rille die Höhe
des Systems. Das Feinjustieren erfolgt aber dann
genau wiederum an den Einzelreitern.
Völlig anders stellt sich die Situation bei
Tune-o-Matic-Stegen à la Gibson Les Paul dar
(Abb. 6).
Hier erfolgt die Höheneinstellung mit
Aufgemerkt und hingeguckt
Es kommt häufig vor, dass die Saitenreiter am
Steg nicht optimal an die Griffbrettwölbung
angepasst sind und eventuell die D- und G-Saite
viel zu tief liegen. Da man in der Regel aber nur
die tiefe E-Saite betrachtet, wirkt die Saitenlage
optisch zunächst okay; der versteckte Fehler
wird dann jedoch beim Nachmessen aufgedeckt.
Zur Kontrolle gehe ich Saite für Saite – wie in
Abb. 1
gezeigt – durch. Ist der Saitenverlauf
zu hoch, zu niedrig oder folgt er nicht dem
Griffbrettradius, sollte er am Steg nachjustiert
werden. Da der Markt unzählige Stege anbietet,
kann ich nur exemplarisch für einige „Klassiker“
beschreiben, wo die Saitenlage eingestellt wird. Da
es aber eigentlich nur um „höher und tiefer“ geht,
lassen sich mit Hilfe des Wissens über Klassiker
auch Exoten begreifen und einstellen.
Abb. 2
zeigt
den klassischen Telecaster-Steg, bei dem an der
Schraube 1 die Höhe des Saitenreiters eingestellt
und somit die Saitenlage reguliert wird. Sehr
transparent und direkt. Mehr Schrauben besitzt
das auf
Abb. 3
zu sehende Vintage-Vibrato, bei
dem jede Saite einzeln in der Höhe eingestellt
werden kann. Mit der Schraube 1 kann somit der
Saitenverlauf optimal an die Griffbrettwölbung
angepasst werden. Die vorderen sechs Schrauben
dienen bei diesem System nicht zum Einstellen der
Saitenlage. Sie dienen nur dazu, das System am
Korpus zu fixieren. Anders hingegen das System
der PRS-Gitarre auf
Abb. 4.
Hier haben die sechs
Schrauben eine Rille, in der das System schwebend
gehalten wird. Durch die Fixierung in der Rille
kann durch ein Herein- oder Herausdrehen
aller Schrauben die Systemhöhe und damit die
Rassig, robust, extravagant.
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Hilfe der beiden Stellschrauben an der Kante des
Steges. Dies kann eine Rändelmutter sein (Abb.
6,
oben) oder eine Gewindeschraube, die sich mit
einem Schraubendreher einstellen lässt (Abb.
6,
unten). Die wenigsten Stege dieser Bauart lassen
sich individuell pro Saite in der Höhe einstellen.
Man soll es kaum glauben, aber im Laufe der
Jahre verbiegen sich viele dieser Stege durch
den Saitendruck nach unten, wodurch die Saiten
natürlich völlig anders verlaufen, als es der
Griffbrettradius erfordert. Je nach Zustand des
Steges kann häufig der Steg mit Hilfe der beiden
Stellschrauben so weit hochgedreht werden, dass
die mittleren Saiten (die durch den verbogenen
Steg am tiefsten liegen) eine gute Saitenlage
aufweisen. Dann liegen aber die anderen Saiten
häufig zu hoch, was durch ein Feilen der Nut im
Einzelreiter reguliert werden kann. Ist der Steg zu
verbraucht, muss er ausgetauscht werden.
Abb. 8:
Auch ein Klassiker: der Steg einer Fender Jazz-
master/Jaguar
Andere Systeme
Eine Mischung aus American Standard und Tune-
o-Matic zeigt die
Abb. 8
mit dem Steg einer Fender
Jaguar/Jazzmaster. Die Gesamthöhe des Systems
wird mit den zwei kleinen Inbusschrauben, die in
den zwei Füßen des Systems sitzen, voreingestellt,
bevor die Saitenlage pro Saite am Steg direkt
eingestellt wird. Etwas limitierter sind die Klemm-
systeme à la Floyd Rose
(Abb. 9).
Hier kann, bis
auf wenige Ausnahmen, die Saitenlage (leider)
nur für das gesamte System an den beiden Ge-
windeschrauben (Abb.
9,
Pfeil) eingestellt werden.
Bei den meisten Systemen wird der Saitenverlauf
durch unterschiedlich hohe Einzelreiter bestimmt.
In der Regel sind die Reiter für e/E, H/A, G/D
gleich hoch. Soll heißen: e/E ist niedrig, H/A
ist mittelhoch und G/D ist hoch. Durch diese
Anordnung wird eine Kurve erzielt, die, sorgfältige
Konstruktion beim Hersteller vorausgesetzt, der
Griffbrettwölbung in etwa folgt.
Man sollte mit etwas Ruhe die Saitenlage
dem persönlichen Geschmack, aber auch den
Gegebenheiten des Instruments anpassen. Ist dies
geschehen, sollte das Instrument differenzierte
und saubere Sounds produzieren können. Fühlt
man sich auf dem Instrument wohl, ist es an der
Zeit, die letzte Schikane zu nehmen: das Einstellen
der Oktavreinheit. Die Oktavreinheit entscheidet
darüber, ob sich gespielte Akkorde angenehm rein
oder orientalisch schräg anhören. Um nicht aus-
zuufern, möchte ich „nur“ die „normale“ Variante
vorstellen, da Exoten (zum Beispiel Buzz Feiten) den
Rahmen sprengen würden und erfahrungsgemäß
für den größten Teil der Gitarristen auch gar nicht
notwendig sind. Trotzdem die Grundfrage: Warum
muss die Oktavreinheit eingestellt werden?
Zur Beantwortung betrachtet man die schwin-
gende Saite, die bei einer gewissen Spannung die
entsprechende Tonhöhe produziert. Nun wird die
Saite zum Beispiel am 15. Bund gedrückt. Zum
einen verkürzt sich die Schwingungslänge, aber
durch das Herunterdrücken wird auch leicht die
Spannung erhöht – der Ton wird etwas höher. Um
dies auszugleichen, verlängert man die schwingende
Saite am Steg mit Hilfe der beweglichen Einzelreiter.
Man verlängert die Mensur um eine „Zugabe“ (auch
Spannungsplus oder Kompensation genannt), so
Abb. 10:
Prüfen des Abstandes: Tonabnehmer zur Saite
dass die Verstimmung durch das Herunterdrücken
kompensiert wird.
Abb. 9:
Locking-Vibrato à la Floyd Rose
mehrmals wiederholt und dabei immer wieder
gestimmt und überprüft werden. Aber bitte kei-
nen Technikfrust aufkommen lassen. Dieser Ein-
stellvorgang sollte nicht zur wöchentlichen Rou-
tine werden. Einmal auf die gewünschten Saiten
eingestellt, klappt es mit der Kompensation auch
ohne weiteres „Schraubengefummel“.
Endlich saubere Akkorde
Wenn man nun ganz genau hinsieht, ist das
Verziehen von Bund zu Bund verschieden. So
drückt man am 20. Bund die Saite weiter herunter
– zieht sie also mehr aus der Stimmung – als zum
Beispiel am 7. Bund. Da man nun aber nicht die
Kompensation für jeden Bund einstellen kann, ist
der gebräuchlichste Kompromiss das Abstimmen
am 12. Bund. Hierzu wird die Leersaite (oder der
Flageolett am 12. Bund) gespielt und mit dem
gedrückten Ton am 12. Bund verglichen. Wenn
Leersaite oder Flageolett mit dem gedrückten
Ton übereinstimmen (natürlich in verschiedenen
Oktaven), ist die Oktavreinheit eingestellt und die
Grundlage für ein sauberes Akkordspiel gelegt. Ist
der gedrückte Ton zu hoch, muss die schwingende
Saite verlängert, also der bewegliche Reiter vom
Sattel weg eingestellt werden. Ist der Ton zu tief,
muss die Saite verkürzt, der bewegliche Saitenreiter
also zum Sattel hin bewegt werden. Am besten
klappt dieses Feintuning mit einem Stimmgerät, da
dieses recht exakt die Töne anzeigt.
Ähnlich vielfältig wie das Einstellen der
Saitenlage sind, durch die große Anzahl an
verschiedenen Stegen, auch die Möglichkeiten,
die Kompensation einzustellen. Bei den „Klas-
sikern“ habe ich die entsprechende Schraube mit
„2“ beschriftet. Etwas umständlich ist der Ein-
stellvorgang bei einem Floyd-Rose-System. Hier
muss zunächst die entsprechende Saite entspannt
werden. Dann löst man die kleinen Inbusschrauben
vorne am System (Abb.
9,
rechts - Pfeil) und
kann nun den Einzelreiter nach vorne und hinten
verschieben. Da dies nicht mit gespannter Saite
funktioniert (der Reiter rutscht dann immer ganz
nach vorne), muss der Vorgang unter Umständen
Am Ziel!
Nach dem Einstellen der Kompensation ist
das Instrument spielfertig. Bleibt nur noch das
Überprüfen des Abstandes des Pickups zur
Saite
(Abb. 10).
Hier entscheiden weniger die
Millimeter als vielmehr der Geschmack. Rund
3 mm Luft zwischen Pickup und Saite sind eine
gute Ausgangsposition für persönliche Tests. Wird
der Pickup weiter heruntergefahren, wird der
Ton klarer mit weniger Power. Näher zur Saite
gebracht, gibt es mehr Power bei verminderter
Transparenz. Lediglich ein zu nahes Heranbringen
des Pickups an die Saiten ergibt keinen Sinn. Der
Ton wird unnatürlich „mächtig“ (fast schon eine
Permanentdistortion), und auch die Obertöne
klingen nicht mehr rein.
So, die Flagge fällt – Ziel erreicht! Auch die
neuerworbene Gitarre aus dem Internet müsste
jetzt schön rund laufen und den persönlichen
Anforderungen genügen. Ich möchte abschließend
darauf hinweisen, dass ein kompletter Einstell-
service keine Sache von wenigen Minuten ist. Bei
aller Routine benötige auch ich für den komplet-
ten Service mindestens eine Arbeitsstunde. Somit
sollte fürs „erste Mal“ schon ein bisschen mehr
Zeit einkalkuliert werden. Wie bei so vielen Dingen
im Alltag kommen die besten Resultate erst nach
mehrmaligem Ansatz. Daher ist ja auch noch kein
Meister vom Himmel gefallen. Aber die Mühe lohnt
sich. Viel Spaß dabei!
g
Doc Schneider
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