Workshop Beschallungskonzepte Teil 2
© PPVMEDIEN 2008
WORKSHOP
Beschallungskonzepte
Planspiele mit dem PA-System (2)
Der Workshop
Diese neue Praxis-Reihe
thematisiert die akustischen
Probleme in unterschiedli-
chen Räumen und erklärt,
wie Sie diese durch ge-
schicktes Platzieren Ihrer
Lautsprecher lösen können.
In dieser Ausgabe geht es
um die Gretchenfrage, ob die
PA mono oder stereo betrie-
ben werden soll. Daneben
soll geklärt werden, wann
Delay-Lines nötig sind und
wie diese optimal eingerich-
tet werden.
Tobias Jacobs ist
als Promoter für den
Lautsprecherher-
steller HK Audio
tätig und hat lang-
jährige Erfahrung
in den Bereichen
Beschallung und
Tontechnik bei der zeusaudio GmbH in
Koblenz gesammelt.
Das richtige Aufstellen der Lautspre-
cher in ihrer Umgebung ist sehr wichtig,
da die Raumakustik bei jedem Auftritt
anders ist und damit neue Anforderungen
an den Aufbau einer PA stellt. Waren
diese Anforderungen im Grundlagenbei-
trag dieser Serie (TW 4/08) noch recht
einfach – es ging um das Vermeiden von
Reflexionen und den richtigen Einsatz
des Subwoofer – sollen nun sehr viel kom-
plexere Räume mit gutem Sound versorgt
werden.
In diesem L-förmigen Raum (siehe Abb.
rechts) wurde der Musiker (mal wieder)
denkbar schlecht platziert. Und schon
beim ersten Betrachten der Skizze wird
deutlich, dass mehrere Faktoren die
Soundqualität negativ beeinflussen und
durch einen geschickten Aufbau der
Boxen ausgeglichen oder zumindest et-
was abgemildert werden müssen:
Asymmetrie des Raums und der zu be-
schallenden Publikumsfläche
Distanz zwischen Lautsprecher und
Musiker
Sinnvolle Darstellung von Mono- und
Stereosignalen schwer
Vor dem Musiker freier Platz, der später
eventuell als Tanzfläche beschallt wer-
den muss
Möglichkeit 1:
Würde man in diesem
Raum beide Lautsprecher dicht beim Musi-
ker positionieren und im Stereobild ab-
strahlen lassen, wäre der obere Teil des
Publikums unbeschallt.
Möglichkeit 2:
Natürlich könnte man
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den Raum von der unteren Längsseite
homogen beschallen, jedoch würde der
Zuschauer dann jegliche Ortung für die
Position des Musikers verlieren. Dies ist
vor allem beim Einsatz akustischer Instru-
mente (bei kleineren Räumlichkeiten gilt
dies auch für den Gesang) nicht wün-
schenswert, da man doch durch seine
musikalische Darbietung in einen Dialog
mit dem Publikum treten möchte. Das
Klangbild würde sich aus drei Quellen
mit drei Positionen zusammensetzen und
wäre dann eher diffus.
Der Raum teilt sich
in mehrere Zonen
Nach Betrachtung der Skizze stellt man
fest, dass der Raum in unterschiedliche
Zonen aufgeteilt ist. Aus professioneller
Sicht gibt es bei einem Beschallungssystem
mit zwei Topteilen in solchen L-förmigen
Räumen zwei Aufstellungsalternativen, die
Raum mit Nebenraum – Draufsicht
Häufig gesehen: Der Platz für die Musiker ist ungünstig,
um den Raum mit konstanter Qualität zu beschallen.
Tastenwelt 5/08
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Raum mit Nebenraum – Stereobeschallung
In diesem Aufstellungs-
beispiel strahlen die Boxen
jeweils nur die Hälfte des
Stereo-Signals ab.
Raum mit Nebenraum – Monobeschallung
In diesem Aufstellungs-
beispiel strahlt jede Box
dasselbe Signal ab.
Auswirkungen des Aufbaus
auf das Stereo-Bild
Im Idealfall würden jetzt die Hauptsig-
nalanteile über beide Lautsprecher abge-
geben werden (zum Beispiel: die Stimme,
Instrumente), und man verzichtet auf das
einseitige Zuordnen auf eine Box im klas-
sischen Stereobild. Da die Beschallung in
zwei Zonen aufgeteilt wird, erlebt der Zu-
hörer das Signal hauptsächlich aus einer
Schallquelle.
Tastenwelt 5/08
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zur Diskussion gestellt werden sollen: Im
ersten Aufbau ist genau darauf zu achten,
dass die Lautsprecher entsprechend ihres
Abstrahlwinkels (Mitteltöner, Hochton-
horn) auf die jeweilige Publikumszone
gedreht werden, um eine Überlagerung in
der Mitte des Raums zu vermeiden. In
überlagerten Bereichen hat man es näm-
lich mit unterschiedlichen Laufzeiten der
Schallwellen zu tun, was zu teilweisen
Überhöhungen oder Auslöschungen im
Frequenzbild führt (Phasenverschiebun-
gen). Der Sound wirkt in diesem Über-
lagerungsbereich entweder drucklos oder
wummert; unter Umständen kann es auch
dazu kommen, dass die Stimme einen
unangenehmen Flanger-Effekt erhält.
Werden die Lautsprecher so ausgerich-
tet, dass jede Box einen eigenen Bereich
beschallt, ist es wichtig, den Lautsprecher
in der Achse vom Musiker zu den Zuhö-
rern aufzustellen. Die Aufmerksamkeit
wird so in die Richtung des Musikers (der
eigentlichen Schallquelle) gelenkt.
Die zweite Variante, diesen Raum kor-
Diese Signalverteilung setzt voraus, dass
alle potentiellen Stereo-Signalquellen (Key-
rekt zu beschallen, beschäftigt sich also
mit der Problematik, allen Zuhörern im
boards, Sampler, E-Drums) nur in Mono für
Raum das vollstän-
dige Signal der mu-
sikalischen Wieder-
gabe zu präsentieren.
Im Sinne einer mög-
lichst authentischen
Wiedergabe aller vor-
handenen Signal-
anteile im entspre-
chenden Verhältnis
(Soundmix) ist es
sehr sinnvoll, auf
eine künstliche Ste-
reobasis zu verzich-
ten, indem jeder
Lautsprecher ein mo-
no summiertes Sig-
nal abgibt. Es geht
hier ausdrücklich um
ein summiertes Sig-
nal, das mit zwei se-
paraten Lautspre-
chern – zielgerichtet
auf das gesamte Pub-
likum – für eine
möglichst direkte Be-
schallung des sorgt.
Bei dieser Aufstel-
lungsvariante wird
eine Signalverteilung
verwendet, die man
als Dual-Mono be-
zeichnen könnte.
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WORKSHOP
Beschallungskonzepte
beide Kanäle verwendet werden. Die elek-
tronischen Signalquellen besitzen in der
Regel eine integrierte Elektronik, welche die
Stereo-Informationen beider Kanäle (rechts
und links) korrekt auf einen Kanal zusam-
menlegt. Auch die verwendeten Effektgeräte
sollten auf diese Art ausschließlich mono
betrieben werden. Einfacher wird es, wenn
das verwendete Mischpult bereits über ei-
nen so genannten Mono-Summen-Bus ver-
fügt. In diesem Fall verwendet man dieses
Signal für die Wiedergabe. Man verbindet
die Mono-Quelle mit beiden Kanälen der
Endstufe. Bei vielen Powermixern kann
man hierfür die Mono-Summe unverstärkt
abgreifen und dann mittels Klinken-Patch
auf die internen Endstufen-Kanäle legen.
Der Vorteil von Systemen mit zwei Top-
teilen ist, dass man die genannten mono
summierten Signale mit Hilfe einer guten
Aufstellung der Boxen so zum Zuhörer
bringt, dass die Ortbarkeit der Musik und
Belange der Beschallung gleichermaßen
berücksichtigt werden. Mit einer einzigen
Punktschallquelle ist dies nicht machbar.
Differenz der Laufzeiten
Eine zweite Boxenreihe, die ohne Zeitverzögerung arbeitet, erzeugt
wegen der unterschiedlichen Schall-Laufzeiten ein diffuses Klangbild.
Ausgleich der Schall-Laufzeiten mit Delay
Laufzeiten des Audiosignals
mit Delay-Lines ausgleichen
Die folgende Beschallungssituation beschäf-
tigt sich mit einem Platz von ca. 40 Metern
Länge. Viele Musiker werden die Proble-
matik kennen, die sich bei solchen Be-
schallungen bezüglich der gleichmäßigen
Lautstärkeverteilung ergibt: Wenn die Dis-
tanz zwischen Lautsprechern und den hin-
teren Zuhörern größer wird, stellt man fest,
dass die Lautstärke über die Entfernung zu
diesen weiter entfernten Zuhörern er-
heblich abnimmt. Versucht man dies zu
kompensieren, ergibt sich eine zu hohe
Lautstärke für die vordere Hälfte des
Raums oder Platzes. Dies gilt insbesondere
für die Frequenzen, welche die Wiedergabe
des Gesangs und der Melodie-Instrumente
im Mittel-Hochton-Bereich tragen. Die
Lautstärke tiefer Frequenzen hingegen
nimmt über die Entfernung hin weniger ab.
Dies liegt daran, dass das Signal kurzwelli-
gerer (höherer) Frequenzen dem Luftwider-
stand stärker ausgesetzt ist, als das lang-
wellige energiereiche Bass-Wellen Signal.
Um die gleiche Qualität der Sprach-
verständlichkeit bis in die letzte Zuhörer-
reihe zu gewährleisten, ist es bei größeren
Entfernungen ratsam, das Signal über eine
weitere Boxenreihe auch in den hinteren
Teil der Räumlichkeit zu übertragen.
Hierbei gilt es allerdings zu beachten, dass
die Ausbreitung von Schallwellen einer
zeitlichen Dimension unterliegt, d.h. Schall
benötigt Zeit, um die Strecke zwischen
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Um die unterschiedlichen Schall-Laufzeiten der beiden Boxenreihen
auszugleichen, wird ein so genannter Delay-Prozessor eingesetzt.
Schallquelle und Zuhörer zurückzulegen.
Diese Geschwindigkeit nennt man Schall-
geschwindigkeit, sie beträgt bei einer mitt-
leren Raumtemperatur von ca. 20 Grad
Celsius 343 m/s. Das bedeutet, dass ein
akustisches Ereignis für eine Strecke von
20 m ca. 58 ms benötigt. Wenn man jedoch
in dieser Entfernung eine zweite Laut-
sprecherreihe aufbaut, so wird das Signal
zunächst ohne jede Verzögerung zeitgleich
mit dem Signal der ersten Beschallungsreihe
ausgestrahlt (siehe Grafik oben).
Aufgrund der Funktionsweise des mensch-
lichen Gehörs sind zwei Schallquellen für
den Zuhörer bereits ab einem zeitlichen
Abstand von 7 ms differenzierbar. Das be-
deutet für das genannte Beispiel, dass die
Zuhörer in unmittelbarer Nähe der zwei-
ten Beschallungsreihe beide Signale, das
der ersten und zweiten Boxenreihe, zeit-
versetzt wahrnehmen. Man bezeichnet die-
se zeitliche Differenz auch als Laufzeit-
differenz. Dies führt ohne entsprechende
Maßnahmen zu einem stark diffusen Klang-
bild für die Zuhörer in der Nähe der zwei-
ten Beschallungslinie.
Um diesen Effekt zu verhindern, bedient
man sich eines so genannten Line-Delays,
welches das Signal für die zweite Beschal-
lungsreihe entsprechend der Entfernung
verzögert. Man verzögert also das elektri-
sche Signal für die hinteren Lautsprecher
so lange, bis die Laufzeit des akustischen
Schallsignals kompensiert wird. Die kor-
Praktischer Helfer für knifflige Beschallungssituationen:
Klinken-Patch zur Mono-Beschaltung der Endstufen.
Tastenwelt 5/08
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rekte Verzögerungszeit kann man entwe-
der über eine Formel ausrechnen oder bei
neueren Delay-Prozessoren gleich als ent-
sprechende Entfernung in Metern eingeben.
Kommen beide Wege nicht in Frage,
gibt es einen einfachen Trick: Nehmen Sie
ein Funkmikrofon und einen Kugelschrei-
ber zur Hand und begeben Sie sich in
unmittelbare Nähe der zweiten Beschal-
lungsreihe (Delay-Lautsprecher). Nun tip-
pen Sie immer wieder mit dem Kugel-
schreiber gegen den Mikrofonkorb und
experimentieren Sie mit der Verzögerungs-
zeit des Delay-Prozessors. Durch das kurze
Knack-Geräusch des Kugelschreibers soll-
ten Sie die Signale der beiden Beschallungs-
reihen schnell in Deckung bringen können.
Nützliche Hinweise
beim Einsatz von Delay-Lines
Für das Publikum ist es besonders wichtig,
alle Signalquellen korrekt orten zu kön-
nen, damit der Musikgenuss nicht leidet.
Das menschliche Gehör lenkt die Aufmerk-
samkeit grundsätzlich in die Richtung der
Schallquelle. Das bedeutet für die Delay-
Beschallung, dass der Zuhörer unweiger-
lich seine Aufmerksamkeit in Richtung
der Lautsprecher der zweiten Beschal-
lungslinie lenkt, da diese für ihn lauter
und deutlicher zu hören sind. Um dem
entgegen zu wirken, kann man sich den so
genannten Haas-Effekt (benannt nach
Helmut Haas) zu nutze machen. Haas fand
heraus, dass für die richtige Ortung eines
Signals nicht primär die Lautstärke eines
Signals, sondern die zeitliche Reihenfolge
der Wahrnehmung
Basslöcher bei Bass-Delay-Line
von großer Bedeu-
tung ist.
Dies bedeutet:
Wenn Sie dafür sor-
gen, dass trotz einer
zweiten Beschal-
lungslinie dennoch
das Signal der Haupt-
beschallung bis zu
maximal 35 ms frü-
her ans Ohr der Zu-
hörer trifft, wird die
Ortung der primä-
ren Schallquelle für
den Zuhörer mög-
Wegen des kugelförmigen Abstrahlverhaltens kann es bei
lich. Die Aufmerk-
Bass-Delay-Lines leicht zu Frequenzauslöschungen kommen.
samkeit der Zuhör-
er wird so stärker
auf den Musiker gelenkt. Erfahrungsgemäß
Bassboxen einzusetzen. In der ersten Folge
ist es sinnvoll, zur akustisch korrekt einge-
der „Planspiele“ (TW 4/08) wurde bereits
stellten Delay-Zeit etwa 10 bis 20 ms zu
darauf hingewiesen, dass Bassboxen/
addieren. Probieren Sie diesen Effekt doch
Subwoofer in der Regel ein kugelförmiges,
selbst einmal aus. Ein weiterer Faktor für
also in alle Richtungen gehendes Abstrahl-
eine natürliche Ortung ist die Lautstärke
verhalten zeigen. Dies führt dazu, dass
bei der Wiedergabe durch Delay-Lines. In
man erneute Auslöschungen in den Bass-
der Praxis empfiehlt es sich, die Delay-
frequenzen schafft, wenn zusätzliche Bässe
Line so einzustellen, dass sie das Front-
in der Delay-Line eingesetzt werden. Die
Signal unterstützt – also im Verhältnis
Probleme, die sich so ergeben, sind in der
leiser ist als das Hauptsignal.
Regel nur mit einem extremen Material-
aufwand und einer exakten Berechnung
Probleme mit Bass-Kugeln
der Aufstellpositionen zu umgehen. Für alle
bei Bass-Delay-Lines
Anwendungen ohne ausgebildeten Tontech-
Auf großen Plätzen, oder wenn die Wie-
niker und vor allem beim Einsatz von
dergabe im Bassbereich bis in die letzte
Delay-Lines in geschlossenen Räumen
Reihe sehr druckvoll sein soll, ist man ge-
sollte deshalb gelten: Besser auf Bass-
neigt, für seine Delay-Line auch weitere
Delay-Lines verzichten!
Tastenwelt 5/08