Ganz gleich ob es die eigene PA, ein gemietetes oder ein geliehenes System ist, einfach
hinstellen und losrocken ist nicht! Im Gegenteil, je umfangreicher und komplexer eine
PA ist, um so mehr müsst ihr euch mit der Materie auseinandersetzen, um letztlich
dann doch ganz locker Gas geben zu können.
E
s hat sich ja tatsächlich viel geändert. Mit
meinen gut 40 Lenzen auf dem Buckel habe
ich in den letzten 20 Jahren schon das ein
oder andere Beschallungssystem oder Konzept
kommen und gehen sehen. Dazu gehört das letz-
te Aufbäumen der „Wall of Sound“ genauso wie
die ersten Modularsysteme à la Martin Modular,
gefolgt von den gut 10 Jahren, in denen die Top-
teile fullrange-tauglich und kompakt wurden
und die Subs immer größer. Neuerdings – also
seit gut 10 Jahren – ist plötzlich alles Line- oder
Vertical Array und ganz aktuell sind Säulensyste-
me das Mittel der Wahl. Manch einer mag sich
dabei kaum vorstellen können, dass es auch 1980
oder gar 1960 schon Konzerte und Shows gab, die
echt geil waren. Gab es aber, ich war dabei! Und
woran liegts? Daran, dass sich ein paar Tugenden
eben durchsetzen, das Know-how eben doch
bleibt und niemand die Physik überlisten kann
oder konnte. Damals nicht – und heute auch nicht.
Was ihr wissen müsst, jetzt kompakt und struktu-
riert in unseren sieben goldenen Regeln.
Regel 1
Wissen, was gefragt ist!
Bevor ihr das passende PA-System zusammen-
stellt oder anmietet,
verschafft euch einen
Überblick über die Locations, in denen ihr spielt,
über deren Größe, die Lade- und Transportmög-
lichkeiten und die generellen Anforderungen, die
eure Band und das Programm an die PA stellen.
Ein Gitarrenduo in der Lounge oder Bar hat da
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Inhalt
Baukasten-Prinzip
SpecIal
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PA-Systeme für verschiedene
Anwendungen
Die 7 goldenen Regeln
der PA-Auswahl
teilung optimieren. Zusätzliche Tops geben euch
die Möglichkeit, mit breiteren Abstrahlwinkeln
oder Delays zu arbeiten, sodass wirklich jeder im
Raum optimalen Sound genießen kann. Wichtig,
wenn ihr mehrere Tops parallel betreiben wollt:
Die Teile müssen sinnvoll zu clustern sein – der
Abstrahlwinkel muss so sein, dass ein Erweitern
mit mehreren Boxen keine Interferenzen erzeugt.
Auf zum Kauf
Uli Hoppert
Markt der Möglichkeiten
Regel 3
Erst ausrichten,
dann einschalten!
Nicht den Fehler begehen und die PA einfach
in den Raum stapeln, einschalten und loslegen
wollen.
In der Regel ergibt sowas nicht nur aku-
stischen Müll, sondern auch ganz andere Pro-
bleme. Das A und O und die Basis guten Sounds
ist zunächst mal eine sinnvolle und richtige Aus-
richtung der einzelnen Komponenten. Beim Bass
ist die richtige Anordnung zunächst mal recht
unspektakulär. Interessant dabei: Der Klassiker
mit einem Bass rechts und einem Bass links der
Bühne ist keinesfalls immer das Mittel der Wahl.
Diese Variante sorgt fast immer für das gefürch-
tete Bassloch in der Saalmitte. Abhilfe schafft
hier nicht etwa ein dritter Sub in der Mitte. Im
Gegenteil, so was erzeugt meist nur noch mehr
Probleme im Bass. Viel einfacher und effektiver
ist meist ein so genanntes Monocluster – ihr
packt eure Bässe also schlicht und einfach in der
Mitte vor der Bühne zusammen. Nicht immer ein-
fach, da ja schließlich auch die Raum- und Büh-
nengröße zu berücksichtigen sind und so ein
Haufen Bässe nicht immer schön aussieht, aber
auf jeden Fall sehr effektiv, wenn es der Raum
zulässt. Im Monocluster addieren sich die Schall-
drücke optimal, ihr gewinnt also noch mal Laut-
ganz andere Anforderungen und Kapazitäten als
die Heavy-Metal-Formation oder die Top-40-
Band. Die einen brauchen ein handliches, wohl-
klingendes und transportables System, das im
Idealfall auch die Optik nicht stört; die anderen
wiederum brauchen wagenweise Subwoofer,
horngeladene, vollaktive Tops mit Mörderpegel
und sind in der Regel mit eigenem LKW – oder
wenigstens Bandbus – unterwegs. Je nach Pro-
gramm kommen dann weitere Anforderungen
an die PA hinzu – systembedingt sagt man näm-
lich verschiedenen Systemen besondere Eignung
zu. Ein Beispiel: Satte, fette Bässe gibts mit
18“er, 15“er klingen in dieser Disziplin nach all-
gemeiner Meinung spritziger, dafür aber nicht
immer so tief. Hörner sind in den Bässen für
viele immer noch der heilige Gral, allerdings
dürft ihr nicht vergessen, dass solche Systeme
immer erst im Rudel funktionieren.
Regel 2
Plant euer System
möglichst flexibel!
Kein System ist das System für alle Fälle.
unterschiedlich sind die Anforderungen. Ein hilf-
reiches Grundprinzip kann zum Beispiel sein, eine
PA möglichst skalierbar aufzubauen. Skalierbar
bedeutet dabei, dass euer System praktisch mo-
dular erweiterbar ist. Für den halbakustischen
Kneipengig nur ein paar Tops und für den Clubgig
nehmt ihr dann einen oder zwei Subs dazu. Mit
dem Sommer, der mit seinen Open-Air-Veranstal-
tungen bald wieder vor der Tür steht, oder für
größere Gigs könnt ihr dann die PA aufstocken
und an die Anforderungen der Location anpassen.
Zusätzliche Subs sind in großen Locations eigent-
lich nie verkehrt, damit wirds nicht nur lauter,
sondern bei überlegtem Einsatz auch besser. Ihr
könnt mittels Controllern und überlegter Aufstel-
lung zum Beispiel die Abstrahlcharakteristik auch
im Bassbereich beeinflussen und so die Schallver-
Fette Bässe und extrem tiefes Lowend gibts mit
18"ern:
HK Audio XBA 18
Special: pa-SySteme
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stärke, ohne an den Amps weiter aufdrehen zu
müssen. Zudem erfolgt die Abstrahlung im Bass-
bereich so deutlich gleichmäßiger. Bei den Tops ist
die richtige Ausrichtung ebenfalls keine große
Kunst, erfordert aber in der Regel etwas mehr Auf-
wand. Genau aus diesem Grund statten viele Her-
steller ihre Tops auch mit optionalen Flugrahmen
aus oder sehen andere Hilfsmittel vor, mit denen
ihr die Lautsprecher optimal positionieren könnt.
Regel 4
Tops nach oben und
in Richtung Publikum
Wo wir einmal bei der richtigen Ausrichtung
sind gleich noch ein Tipp zu den Tops:
Die ge-
hören möglichst weit nach oben! Der Idealfall
sind natürlich geflogene Topteile, wie sie bei
großen Touren oder Konzerten zum Einsatz kom-
men; dabei dürft ihr aber auf keinen Fall den Si-
cherheitsaspekt außer Acht lassen.
Da bei den Bässen die Wellenlängen groß ge-
nug sind, um auch um Hindernisse wie eure
Fans problemlos herumzukommen,
hört man in
der Regel auch dann noch Bässe, wenn Menschen
vor den Lautsprechern stehen. Im Mittel-
und Hochtonbereich ist das anders, hier
wirken Hindernisse wie Mauern, der Schall
kommt da nicht drum rum. Ausschalten
könnt ihr dieses Problem, in dem ihr die
Tops nach oben bringt und schräg nach vor-
ne anwinkelt. Achtet möglichst peinlich ge-
nau darauf, nur euer Publikum und möglichst
wenige Begrenzungsflächen anzustrahlen.
Raumdecken, Böden oder Wände wirken we-
gen ihrer glatten, schallharten Oberfläche sehr
oft wie ein Spiegel, von dem die Schallwellen
reflektiert, hart gebrochen und zurückgestrahlt
werden. Meist auf die nächste, ebenfalls glatte
Wand – und so weiter. Das Resultat ist in der
Regel Klangbrei, Überlagerungen und Kammfil-
tereffekte, die nichtmehr zu kontrollieren sind
und euch den Gesamtsound zumatschen.
Mit Schrägstellern an Stativen könnt ihr eure
Boxen direkt aufs Publikum ausrichten.
Regel 5
Alle Komponenten müssen
zusammenpassen
Der Name „System“ sagt es schon – ein Sys-
tem muss passen, die Komponenten müssen
aufeinander abgestimmt sein.
Jede Kette ist
nur so stark wie ihr schwächstes Glied und was
wie eine Binsenweisheit klingt, ist oft bittere
Realität. Ganz besonders bei den Endstufen
herrscht oft rege Ratlosigkeit und jede Menge
Halbwissen über die richtige Dimensionierung
und die Anforderungen an die Amps. Mit immer
moderneren, belastbareren Treibern und leis-
tungsstärkeren Amps hat in den letzten Jahren
sowas wie ein Wattwahnsinn eingesetzt. Dabei
sind ein paar Grund- oder besser Faustregeln ei-
gentlich ganz einfach:
Etwa 70 % der Gesamtleistung entfällt auf
den Bass, bei diversen, zeitgenössischen Stil-
richtungen darf es auch etwas mehr sein.
Quintessenz davon – die Bassamps sind in der
Regel echte Boliden mit beachtlicher Leistung.
Die Sinus- oder RMS-Leistung des
Verstärkers sollte die angegebene
Belastbarkeit der Lautsprecher um
etwa ein Drittel übersteigen.
hier gilt: Im Bass darfs auch mal
etwas mehr sein, hier kann
auch schon mal 50 % mehr
aus dem Amp kommen. Da-
durch erhaltet ihr Headroom,
müsst eure PA also nicht bis zum
letzten Kitzeln, wenn mal et-
was mehr gefragt ist. Keine
Panik – die Gefahr, eure Laut-
sprecher dadurch zu überfah-
ren und damit zu beschädigen ist
geringer, als diese durch dauerndes
Clipping abzuschießen.
Wer hier auf aktive oder besser gesagt self-
powered Systeme setzt, erspart sich natür-
lich den Vergleich von Daten und kann den
Herstellern vertrauen.
Wer selbst auswählen
möchte, dem sei an dieser Stelle tatsächlich
ausgiebiges Vergleichen angeraten: Ja, es gibt
hörbare Performance-Unterschiede; insbeson-
dere für den Bass gibt es Amps, die an unter-
schiedlichen Lautsprechern unterschiedliche
Klangergebnisse bringen.
Bleibt noch der Controller oder die Frequenz-
weiche – soweit nicht schon in eurem System
integriert.
Faustregel hier: Nicht mehr als nötig,
aber so viel wie möglich. Wer keine Zeit oder
Möglichkeiten hat, sich mit Controllersetups und
umfangreichen Einstellungen auseinanderzuset-
zen, der ist oft schon mit einer einfachen Weiche
oder einem Preset-Controller ohne externe Ein-
griffsmöglichkeiten gut bedient. Wer hingegen
tüfteln will und kann, der greift besser zu einem
Digitalcontroller mit allen Einstellmöglichkeiten.
Einige Topteile bieten integrierte Schrägsteller,
die einfach verschiedene Neigungswinkel erlauben.
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Controller geben euch die Möglichkeit eure PA allen räumlichen Gegebenheiten und klanglichen Vorstellungen anzupassen:
DBX DriveRack PX
Regel 6
ein bekanntes und weit verbreitetes Beispiel
für solche Stecksysteme.
Vergesst das Zubehör nicht!
Verschießt nicht all euer Geld für die großen
Brocken wie Lautsprecher, Endstufen und
Controller – sondern investiert auch in adä-
quate Kabel und geeignetes Zubehör.
neue PA hat Cases für die Amps, Transporthül-
len und Rollbretter für die Lautsprecher und
solide und funktionale Kabel verdient. Denn nur
mit diesem Zubehör läuft das System zuverläs-
sig und vor allem lange. Überlegt bereits am
Anfang gut, welche Anschaffungen für eine
neue PA in diesen Bereichen fällig werden und
plant diese Posten in eurem Budget ein. Manch
einer wundert sich dann schnell, dass ein Satz
vernünftiger Lautsprecherkabel oder eine funk-
tionale Stromversorgung für die PA schnell Be-
träge verschlingen, für die schon ein weiterer
Amp oder Lautsprecher drin wäre.
Unter Umständen lohnt sich ja auch bei der
Neuanschaffung einer neuen PA die An-
schaffung von ganz speziellen Kabelsätzen
zum Beispiel mit sogenannten Hybrid-Ka-
beln, die bei einer Aktiv-PA den Transport von
Netz- und Signalversorgung übernehmen. Al-
ternativ gibt es für konventionelle Beschal-
lungssysteme sogenannte Speakercores; damit
könnt ihr mit einem Kabel eure gesamte PA
verkabeln. Solche Speakercores sind in der Re-
gel mit speziellen Steckverbindern versehen,
die ein verpolen oder falsch anschließen aus-
schließen. Vier- oder achtpolige Speakons sind
Regel 7
reagiert mittlerweile, zumindest im Entwurf gibt
es bereits eine DIN-Norm, die als Grundlage für
Schallemissionen und deren Messung und Be-
wertung dienen soll.
Unabhängig davon seid ihr als Band und
Künstler natürlich auch in der Verantwortung
für eure Fans,
schon alleine darum solltet ihr
darauf achten, euren Fans keine schmerzhaften
Pegelorgien zuzumuten. Im schlimmsten Fall
kommen Forderungen wegen entstandener Hör-
schäden auf euch zu, auf jeden Fall wird man zu
laute Konzerte sicherlich nicht in guter Erinne-
rung behalten. Was euch hier aus der Misere
hilft? Der verantwortliche Umgang mit der
Technik, eine gesunde Einstellung zu den Pe-
geln, die Rockmusik nun mal haben soll und
muss und vor allem der Einsatz des angezeigten
Werkzeuges - also der richtigen PA am rich-
tigen Ort, passend dimensioniert, richtig ausge-
richtet und richtig betrieben.
Achtet auf die Pegel!
Als Anfang der 80er Jahre bei den ersten
Lautsprechern Warnhinweise angebracht wur-
den, die auf mögliche Hörschäden durch ex-
zessive Lautstärken hinwiesen, wurde meist
noch müde darüber gelächelt.
Heute ist so ein
Hinweis fast schon die Regel. In der Tat hat sich
in den letzten 20 Jahren zweierlei geändert: Die
Leistungsfähigkeit der PAs und die Sensibilität
für deren Auswirkungen. Während es vor ein paar
Jahren immer noch nicht laut genug sein konnte,
sind sich heute viele Veranstalter und auch viele
Musiker bewusst, dass Lautstärke beim Konzert
ein Problem werden kann, für das sie Verantwor-
tung übernehmen müssen. Auch der Gesetzgeber
Cases sorgen dafür, dass euer Bandequipment sicher von A nach B kommt.