Projektstudio Analoger Sound im digitalen Studio
setup
PROJEKTSTUDIO
© PPVMEDIEN 2009
Analoger Sound im digitalen Studio
Analoger Sound im digitalen Studio
Signal-
SOUNDS VEREDELN
Warming
W I E I H R E U R E M D I G I TA L - S E T U P A N A LO G E S F L A I R V E R PA S S T
In den guten alten Zeiten nahm man Audiosignale auf Tonband auf und brauchte für
eine 24-Spur-Produktion ein Zwei-Zoll-Band, das gern mal fünf Kilo auf die Waage
brachte. Auf dieses Band passten dann drei Songs und die Bandmaschine selbst kos-
tete so viel wie ein Einfamilienhaus. Doch der Sound, den die Bandmaschinen alter
Foto: Wilschewski
Tage dem Audiosignal mit auf den Weg gaben, ist heute gefragter denn je. Diverse
PlugIns und Hardware-Effektgeräte versuchen, den Klang zu imitieren.
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Der Grund für den satten Klang einer
analogen Aufnahme auf Magnetband ist
der Bandsättigungseffekt, der in seiner
Wirkungs weise einem analogen Kom-
pressor mit Softknee-Kurve sehr ähnlich
ist. Bei einer analogen Bandmaschine
werden magnetische Teilchen, die sich
in der Magnetschicht des Tonbandes be-
finden, vom Aufnahmekopf magnetisiert.
Durch die Spule im Aufnahmekopf fließt
Strom, wodurch ein magnetisches Feld
www.recmag.de
erzeugt wird. Wenn ihr also ein Signal
auf Tonband aufnehmt, dann wird dieses
Signal durch die Spule im Aufnahmekopf
geleitet. Je höher ihr das Signal aussteu-
ert, desto stärker ist das Magnetfeld, mit
dem das Band magnetisiert wird. Beim
Wiedergabekopf erfolgt die ganze Proze-
dur in umgekehrter Reihenfolge: Das ma-
gnetisierte Band erzeugt eine Spannung
in der Spule des Kopfes, die verstärkt und
als Ausgangssignal genutzt wird.
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Tonkopf
Magnetische Feldlinien
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Das Original: Die Bandsättigung
Ab einer gewissen Aussteuerung nimmt die
Magnetisierung des Tonbandes nicht weiter zu,
sondern bleibt auch bei weiterer Erhöhung des
Eingangspegels auf einem bestimmten Niveau
Spule
Audiosignal
stehen. Diesen Effekt nennt man Bandsättigung.
Er ist im Grunde genommen nichts anderes als
ein Kompressionseffekt. Das Besondere an die-
ser Art von Kompression ist die Art und Weise, wie
bei der Bandkompression der Sättigungspunkt
erreicht wird: Die Kennlinie knickt nicht hart ab,
Tonband
Laufrichtung
Schematische Darstellung von
Aufnahmekopf und Tonband
sondern fährt ganz weich in die Übersteuerung
hinein. Dadurch werden Signalspitzen nicht hart
begrenzt, sondern mit zunehmendem Pegel
immer stärker abgeschwächt. Das Schöne
an der Aufnahme auf Tonband ist, dass es
keine absolute Übersteuerungsgrenze gibt,
ab der das aufgenommene Signal unbrauch-
bar wird. Im Gegenteil: Vielfach wurde, zum
Beispiel bei der Aufnahme der Bassdrum, die
Übersteuerungsgrenze bewusst um 4 bis 6 dB
überschritten, um so die Bandkompression voll
ausnutzen zu können.
Auf diese Weise entsteht ein Sound, den
man als durchsetzungsfähig, präsent und
mächtig beschreiben kann.
So klingt das mit
Bandsättigung aufgenommene Mikrofonsignal
eines Gitarren-Amps wesentlich weicher, volu-
fem Frequenzbereich können bei der Aufnahme
mit einer Bandmaschine sehr hoch ausgesteu-
ert werden und gewinnen dadurch an Lautheit.
Magnetisierung
Tonband
Sättigung
Pegel Audiosignal
minöser und druckvoller, als wenn dieses Signal
digital aufgezeichnet worden
wäre. Auch Schlaginstrumente,
wie Bassdrum oder Snare pro-
fitieren von der Bandsättigung:
Beide Signale können meist eine
Sättigung
Sättigungseffekte machen
eure Signale fetter.
Probiert das einmal mit einer Synthie-Basslinie:
Selbst ein einfacher Kassettenrecorder kann dem
Bass schon die gewisse Wärme und Wucht spen-
dieren, die mit rein digitaler Signalverarbeitung
nicht ohne weiteres erreicht wird.
Magnetisierungskurve eines Tonbandes:
Gut zu erkennen ist der Kompressionseffekt
bei hoher Aussteuerung.
satte Kompression gebrauchen und gewinnen
durch das Tonband an Durchsetzungsfähigkeit
und Punch. Insbesondere Instrumente mit tie-
Röhrensättigung
Neben der Bandsättigung gibt es noch eine andere
Möglichkeit, euren Signalen Wärme und Druck zu
verleihen: Die Röhrensättigung. Dabei wird das Signal
durch einen Röhrenverstärker geschickt und ein wenig
in die Übersteuerung gefahren. Dadurch entstehen
harmonische Verzerrungen, die dem Originalsignal
ganzzahlige Vielfache des Grundtons hinzufügen.
Diese harmonischen Verzerrungen erzeugen – im
Unter schied zum übersteuerten Transistorverstärker
– einen warmen Sound, der sich sehr gut für die
Bearbeitung der Vocals eignet. Die mit einem
Röhren-Amp aufgenommene Stimme gewinnt an
Durchsetzungskraft und bekommt einen hauchigen,
brillanten Charakter, der zum Beispiel von PlugIns, wie
dem Wamifier von Voxengo nachgebildet wird. Um der
Stimme nachträglich einen Röhren-Touch zu geben,
könnt ihr die Vocals auch aus dem Rechner in einen
echten Röhren-Preamp schicken und dieses Signal
dann wieder aufnehmen. Echte Röhren-Preamps sind
oft teuer – ein gutes Preis-Leistungsverhältnis bietet
etwa der Channel Strip Mindprint Envoice MK II, der in
der Röhren-Sättigung sehr gut klingt.
Licht und Schatten
Bei all diesen Lobpreisungen des guten alten
Tonbands wollen wir die Schattenseiten die-
ser Technik natürlich nicht außer Acht lasen.
Eine Tonbandaufnahme rauscht, die Dynamik
ist eingeschränkt und die Auflösung der ganz
hohen Frequenzen ist nicht so luftig und bril-
lant wie bei einer Aufnahme mit 24 Bit und
96 kHz. Hochfrequente Signale wie HiHat
oder Schlagzeugbecken müssen auch bei
Tonbandaufnahmen sehr konservativ ausge-
steuert werden, um keine Verzerrungen zu er-
zeugen. Um das Rauschen in den Griff zu be-
kommen, werden bei professionellen Multitrack-
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erreichen. Diese Technik war aber eben nur den
Profis im Tonstudio zugänglich, weshalb sich
damals die professionellen Produktionen meist
deutlich von den im Heimstudio angefertigten
Demo-Aufnahmen abhoben.
Und hier kommen jetzt die digitalen
Bandsättigungs-Tools ins Spiel,
mit denen ihr
heute auch bei kleinerem Geldbeutel schon eine
richtig fett klingende Aufnahme
produzieren könnt. Der Markt
bietet euch eine ganze Menge
PlugIns und Hardware-Geräte
Dieser kombinierte Single- und Multiband-
Kompressor ermöglicht es, die Kompression
von Hand einzustellen und gibt den Vocals, aber
auch einem Drumloop oder der Basslinie den
richtigen Kick. Mit Hilfe des Drive-Reglers wird
der Pegel des Eingangssignals eingestellt, um
so den Limiter bewusst in die Übersteuerung
treiben zu können. Die Kompressionszeiten
Attack und Release könnt ihr mit dem Parameter
PlugIns klingen nicht 1:1 wie
Tapes, funktionieren aber gut.
Speed beeinflussen und mit Hilfe von Knee
wird bestimmt, wie hart die Kompressionskurve
abknickt. Im so genannten FAT-Mode (FAT =
Frequency Authentication Technique) werden
beim VintageWarmer die typischen Übertra-
gungseigenschaften eines in die Sättigung ge-
triebenen Bandes simuliert. Den VintageWarmer
gibt es bei www.pspaudioware.com als PlugIn
für alle gängigen Schnitt stellen wie VST, RTAS
und AudioUnits, sowohl für den Mac als auch für
Windows. Um euch ein Bild von der Klangqualität
dieses Tools zu machen, könnt ihr das PlugIn als
Demoversion herunterladen und zwei Wochen
lang nutzen. Mit dem VintageWarmer könnt ihr
zum Beispiel die Basslinie richtig zum Knarzen
bringen: Dazu dreht ihr den Drive-Regler auf
+12 bis +16 dB und stellt den Parameter Knee
auf 40% ein. Nun arbeitet der VintageWarmer
mit einer weich abknickenden Kennlinie. Den
an, die diesen Tape-Warming-
Effekt nachbilden und mit denen ihr das Signal
in ähnlicher Weise aufwerten könnt wie mit der
analogen Bandkompression. Dabei sollte euch
klar sein, dass die digitale Nachbildung niemals
zu 100 Prozent genauso klingt wie das analo-
ge Vorbild. Auch mit Hilfe der Faltungstechnik
Wer eine Maschine wie diesen
8-Spur-Recorder sein Eigen nennt, kann
damit seinen digitalen Signalen einen
Bandsättigungseffekt verpassen.
wird die Übertragungseigenschaft eines Ton-
bandes nur zu einem einzigen Zeitpunkt
gesampelt. Zeitabhängige Vorgänge, die bei der
Analogtechnik eine große Rolle spielen, werden
durch die Faltung nicht berücksichtigt. Ihr solltet
euch also darauf einlassen, dass die Warming-
PlugIns nicht exakt genauso klingen, dafür aber
manche Sachen sogar besser können als ein
analoges Tonband.
Maschinen teure Rauschunterdrückungssysteme
eingesetzt, die pro Kanal gern einmal die
1000-Euro-Marke überscheiten. Das gängige
Rauschunterdrückungssystem im Profibereich
heißt Dolby SR – mit dieser Rauschunterdrückung
ist es möglich, eine Dynamik von ca. 90 dB zu
Die digitale Imitation
Ein sehr schönes Bandsättigungs-Tool ist zum
Beispiel der VitageWarmer von PSPaudioware.
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Ceiling-Regler stellt ihr auf –0,5 dB ein, so dass
die obere Aussteuerungsgrenze knapp unter
der digitalen Vollaussteuerung liegt. Jetzt stellt
ihr den Kompressor auf Singleband-Modus ein
und den Arbeitsmodus des PlugIns auf
FAT, die Zeiten Speed und Release
werden nach Gehör ge-
regelt. So bekommt ihr
einen wunderbar fetten,
knurrigen Bass-Sound. Der
Clou beim VintageWarmer
Im Rahmen der Portico Serie von
Rupert Neve Designs gibt es den
Portico 5042 mit dem Namen „True
Tape FX“ – eine teure, aber hoch-
klassige Tape Saturation Hardware.
ist, dass auf der virtuellen
„Rückseite“ des Gerätes die von der Frequenz
abhängige „Magnetisierbarkeit des Bandes“
eingestellt werden kann. Mit diesem Parameter
bildet der VintageWarmer das unterschiedliche
Verhalten des Tonbands bei verschiedenen
Frequenzen nach, das die Bässe stärker kom-
primiert als die hohen Frequenzen. Darüber
hinaus bietet der VintageWarmer eine ganze
Reihe von Presets, mit denen typische Sounds,
wie Tapewarming-, Mastering- oder Gitarren-
kompressionsprogramme als Grundeinstellung
aufgerufen werden können.
Ein anderes schönes Warming-Tool ist der
Magneto von Steinberg, der als VST-PlugIn
in der Cubase-Version SX3 enthalten war.
Leider ist das PlugIn aus dem Programm ge-
nommen worden – wer aber noch eine alte
Cubase-Version im Regal stehen hat, sollte es
unbedingt einmal ausprobieren. Von der Firma
Voxengo gibt es die Analogflux Suite, in der
ein Tape Delay, ein Chorus und auch ein Tape
Saturation PlugIn enthalten ist. Die Analogflux-
Suite bietet ein hervorragendes Preis-Leistungs-
Verhältnis, ist aber leider nur für die Windows-
Plattform und nicht für den Mac erhältlich.
Etwas hochpreisiger geht es bei Digidesign
zu: Das Reel-Tape-Suite-Bundle enthält einen
Tape Flanger, ein Tape Delay und das Tape
Saturation PlugIn für die RTAS-Schnittstelle
in Pro Tools. Reel Tape Saturation bietet die
Möglichkeit, Simulationen von unterschied-
lichen Bandmaschinen-Typen anzuwählen und
Das Freeware-PlugIn TapeHead Medium
von Steven M. Massey (www.smassey.com)
bietet einen fetten Bandkompressions-
Sound,
der ohne viel Schnickschnack daher
kommt und das Signal einfach nur laut und fett
macht. Das PlugIn gibt es für die AudioUnits-
Schnittstelle auf Mac OSX und ist ein hervorra-
gendes Tool, um Rap- und HipHop-Vocals „In
your face“ zu bekommen!
Ein
teures
High-End-PlugIn
ist
der
Fotos: Wilschewski, Hersteller; Grafiken: Ederhof, KvG
Das PlugIn Reel Tape Saturation von
Digidesign bildet die real bei einer
Bandmaschine vorhandenen Parameter,
wie Speed, Noise oder Bias nach.
Röhrensättigung sorgt für
harmonische Verzerrungen.
damit schon verschiedene Grund-Sounds auf-
zurufen. Mit Hilfe der Regler Speed, Noise und
Bias werden die real bei einer Bandmaschine
vorhandenen, physikalischen Parameter imi-
tiert und beeinflusst.
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Phoenix von Crane Song,
den ihr auch sehr
gut auf der Stereosumme anwenden könnt. Der
Phoenix fügt dem Originalsignal auf subtile Art
harmonische Obertöne hinzu und bietet fünf
verschiedene Grundfarben, die unterschiedliche
Bandmaschinen simulieren. Da es Crane Song
selbst schwierig fand, ihre Grund-Sounds zu be-
nennen, wurden frei erfundene Phantasienamen,
wie „Iridescent,“ „Luminescent,“ „Dark Essence,“
„Luster“ und „Radiant“ gewählt. Der Phoenix von
Crane Song ist ein TDM-PlugIn und eignet sich
somit für die ProTools HD-Plattform.
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Ultrafeine (5 µm)
Großmembran
„HF1“
Präzisions-
schalter für
Richtcharakteristik,
Hochpassfilter &
Vordämpfung
Natürlich leisten
auch vorhandene
analoge Geräte,
vorzugsweise in
Röhrentechnologie,
gute Dienste, um
eure Signale fetter
zu machen.
Eine richtig fette Kompression bekommt
ihr, wenn ihr die echte Bandsättigung mit der
eines PlugIns überlagert.
Dazu genügt es auch
schon, die Bassdrum oder den Bass-Groove in
ein Tapedeck zu überspielen und danach wieder
zurück in den Rechner zu übertragen. Natürlich ist
es am besten, wenn die echte Bandkompression
mit einer hochwertigen Studiobandmaschine
und hoher Bandgeschwindigkeit gemacht wird.
Aber auch mit einem einfachen Kassettendeck
oder Vaters alter Tonbandmaschine lässt sich eine
Bassdrum oder Snare schon schön fett machen,
insbesondere, wenn ihr dann noch zusätzlich mit
einem Warming-PlugIn drübergeht. Den Trick
mit dem Kassettenrecorder solltet ihr allerdings
nur bei perkussiven Signalen anwenden, bei de-
nen der unvermeidliche Rauschteppich nicht so
stark auffällt. Wenn es um filigraneres Material,
wie Gesang oder akustische Instrumente geht,
dann solltet ihr für die Bandsättigung auf jeden
Fall eine hochwertige Bandmaschine wie zum
Beispiel die Studer A 80 mit professioneller
Rauschunterdrückung wählen.
www.recmag.de
Der VintageWarmer von PSPaudioware ist
ein sehr schönes Warming-Tool, mit dem
die Vocals, aber auch eine Basslinie oder
die Drums richtig fett gemacht werden
können. Auf der virtuellen „Rückseite“
des VintageWarmer kann die von der
Frequenz abhängige Magnetisierbarkeit
des Tonbandes eingestellt werden.
Der Autor
Andreas
Ederhof
arbeitete als Studiomanager und
Sendetechniker beim Rundfunk
und ist als freiberuflicher
Toningenieur und Dozent tätig.
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