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DAS FACHBLATT FÜR MUSIKER
Special:
„Lautlose E-Gitarre auf der Bühne“
DAS FACHBLATT FÜR MUSIKER
In der Ruhe liegt die Kraft
SPECIAL
So könnt ihr E-Gitarren auf der Bühne
lautlos abnehmen
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Die 11 Gebote
für Megasound bei Minilautstärke Seite 40
1-2-3 … dabei!
Lautlos zum Megabrett
Seite 46
Die 11 Gebote für
Megasound bei Minilautstärke
Die Band ist der Star
Leider ist es ein Irrglaube, dass der laute Gitarrenamp auf der Bühne so richtig drückt und den
Sound der Band nach vorn bringt. Oft ist das Gegenteil der Fall: Je leiser es auf der Bühne ist, umso
besser ist der Sound fürs Publikum. Was ihr bei der Abnahme der Gitarre auf der Bühne beachten
solltet, um den Gesamtsound der Band zu verbessern, erfahrt ihr in diesen 11 Geboten.
itarristen sind oftmals nicht gerade zu
beneiden: Da hat man sich eine teure
Anlage gekauft, mit der man den Saal
so richtig aufmischen könnte, doch dann kommt
der Mischer daher, und das erste was er sagt, ist:
G
Jetzt drehst du deinen Amp mal um die Hälfte
leiser! Das bedeutet aber noch lange nicht, dass
der Gitarrist beim Gig auf den gewohnten Sound
verzichten muss. Wie ihr den perfekten Gitarren-
sound auf die Bühne bringt, ohne euren Mit-
menschen die Ohren wegzublasen, wollen wir
uns hier mal näher anschauen.
1. Gebot
Du sollst dem Gesamtsound
der Band dienen
Glücklich, wer ein solch opulentes Monitoring beim
Auftritt nutzen kann. So hört man alles.
Ihr solltet immer bedenken: Euer Gig ist kein
Solo-Gitarrenkonzert!
Die Band ist der Hero,
nicht der Gitarrist. Und dementsprechend solltet
ihr euren Gitarrensound auch ausrichten.
Natürlich sind der Gitarren-Sound und die
Lautstärke des Amps sehr stark vom Musikstil
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abhängig. Eine Heavy-Metal-Band kann einen
anderen Pegel vertragen als eine Blues-Combo
in der Kneipe. Aber eines ist klar: Wenn der
Schlagzeuger seine Becken nicht mehr hört,
dann ist die Gitarre definitiv zu laut! Ob Topteil
mit Load-Box, Isolation Cabinet oder eine
Ampmodeler-Lösung – es gibt viele Möglich-
keiten, den Gitarrensound im Sinne des Gesamt-
klangbilds zu optimieren.
2. Gebot
Du sollst deine
Mitmusiker hören
Das gilt natürlich nicht nur für Gitarristen
und ist ja eigentlich auch das Prinzip des
Zusammenspiels in einer Band.
Aber es ist trotz-
dem gut, sich dieses Prinzip immer wieder ex-
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Wenn man die Amps nicht ins Publikum richtet, hört man sich auf der Bühne besser und der Mann am Pult freut sich auch.
plizit vor Augen – beziehungsweise vor Ohren
– zu führen. Wenn auf der Bühne alle Musiker
darum bemüht sind, sich gegenseitig zu hören,
dann orientiert man sich automatisch am lei-
sesten – und nicht am lautesten – Instrument.
Und vielleicht kann man dann sogar mal etwas
aus den Monitorboxen hören ...
3.Gebot
Du sollst den Lautstärke-
pegel auf der Bühne
reduzieren
Wenn der Gitarrist seinen Amp auf der
Bühne bis zum Anschlag aufdreht, dann ist das
wie beim Wettrüsten:
Der laute Gitarren-
verstärker zieht unweigerlich einen noch lau-
teren Bassisten nach sich, oder einen Drummer,
der mehr Monitor im Sidefill haben will usw.
Auf der Bühne wird es also immer lauter und
auf der Strecke bleibt in diesem Fall meist der
Gesang, das Aushängeschild eurer Band. Der
Gesangsmonitor kann nämlich irgendwann
nicht mehr lauter gefahren werden, und zwar
genau dann, wenn die Rückkopplungs- oder
Leistungsgrenze des Bodenmonitors erreicht
ist. Die Folge: Der Sänger hört sich nicht, und
ein Sänger der sich nicht hört, singt schlecht.
Deshalb solltet ihr alles unternehmen, um die
Lautstärke auf der Bühne zu reduzieren – das
kommt der Aussagekraft eurer Band zugute.
4. Gebot
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Amp. Wenn der aufgerissene Verstärker direkt
auf die Köpfe der Zuschauer zielt, dann wird
der eine oder andere Musikliebhaber das Weite
suchen. Außerdem wirkt der Gitarrenamp dann
wie eine kleine PA und der Mischer kann das
Gitarrensignal nicht mehr am Mischpult kont-
rollieren. Der unkontrollierbare Sound führt
dann oft dazu, dass das Publikum unzufrieden
ist und ihr habt mit eurer privaten Beschallungs-
maßnahme das Gegenteil dessen erreicht, was
ihr eigentlich wolltet. Deshalb solltet ihr euren
Gitarrenspeaker immer in die Bühne hinein
richten – möglichst in Ohrhöhe, damit ihr euren
Sound deutlich hören könnt.
5. Gebot
Du sollst Übersprechungen
zwischen den Mikrofonen
vermeiden
Du sollst den Gitarrenamp
nicht direkt ins Publikum
richten
Im Laufe der Jahre hat sich der Begriff der
„Marshallschneise“ geprägt:
Gemeint ist damit
die publikumsfreie Schneise direkt vor dem
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Ganz vermeiden lassen sich Übersprechun-
gen zwischen den Bühnenmikrofonen nicht,
da zum Beispiel das Gesangsmikro immer auch
einen Teil der anderen Schallquellen auf der
Bühne mit abnimmt.
Aber je leiser es auf der
Bühne zugeht, desto geringer ist dieser Effekt.
Wenn ein Schlagzeugmikro den Gitarrensound
mit abnimmt, dann wird dieses Signal im
Mischpult mit dem Direktsignal der Gitarre
gemischt. Durch Phasenverschiebungen in
Folge unterschiedlicher Schalllaufzeiten ent-
stehen dann oft Frequenz auslöschungen, die
das Ge samtklang bild der Band enorm ver-
schlechtern. Hier ist natürlich in erster Linie
der Tontechniker gefragt, der für die pas-
senden Mikrofone und eine optimale
Ausrichtung derselben sorgen sollte. Ins-
besondere der Gitarrist kann jedoch durch
Mäßigung der Lautstärke seinen Teil zu einem
sauberen Gesamtklangbild beitragen.
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„Lautlose E-Gitarre auf der Bühne“
6. Gebot
Du sollst übers Monitoring
nachdenken
Das Problem des schief singenden Sängers
oder der jammernden Backing-Vocals kennen
wir wohl alle.
Doch die Ursache liegt oft gar
nicht in der fehlenden Gesangstechnik, sondern
daran, dass sich der Sänger auf der Bühne nicht
oder nur schlecht hört. Hier kommt das Thema
Monitoring ins Spiel. Besonders reizvoll, da im-
mer bezahlbarer ist da In-Ear-Monitoring, das
dieses Problem löst, weil auch der Sänger jetzt
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7. Gebot
Du sollst mit deinem
Gitarrensound
herumexperimentieren
Natürlich kann man den Standpunkt vertre-
ten: „Mein Amp klingt am besten, wenn er voll
aufgerissen ist, oder: das habe ich schon immer
so gemacht.“
Aber vielleicht gibt es ja auch
Lösungen, die genauso gut – oder gar besser –
klingen und dem Gesamtsound der Band mehr
dienen. Vielleicht klingt der Lieblings-Power-
Amp mit einem Modeler-Preamp schon bei ge-
ringeren Lautstärken richtig fett – oder das
Line-Ausgangssignal aus dem Preamp ist für die
Durchsetzungsfähigkeit im Live-Setup genau
das Richtige. In diesem Fall muss der ange-
schlossene Gitarren-Speaker nicht voll aufgeris-
sen werden, da er nur als Monitor dient. Hier ist
Experimentiergeist gefragt, und ein erfahrener
Tonmann. Denn leider könnt ihr das Ergebnis
dieser Bemühungen nur Beurteilen, wenn ihr
beim Soundcheck mal die eine oder andere
Lösung ausprobiert.
8. Gebot
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Auch der Gitarrist ist gefragt:
Will man den optimalen
Sound für die gesamte Band finden, kommt man an etwas
Klangtüftelei am Amp nicht vorbei.
Du sollst passende
Übertrager einsetzen
Gutes Monitoring ist wichtig fürs Zusammenspiel:
Mit
In-Ear-Monitoring wie hier bei „Wir sind Helden“ hat man
überall auf der Bühne optimalen Klang.
sein eigenes Monitorsignal direkt zugespielt be-
kommt. Der nächste Schritt ist, dass alle
Bandmitglieder mit In-Ear ausgestattet werden
– dann kann jeder Musiker heraushören, wie er
im Kontext der gesamten Band klingt. Das
Problem ist: In-Ear-Monitoring ist vergleichs-
weise teuer und erfordert ein separates Pult.
Aber vielleicht ist es möglich, dass ihr euch ein
System leiht und im Proberaum ausprobiert.
Wenn ihr dann auf den Geschmack gekommen
seid, ist die nächste Investition eventuell kein
weiterer Amp, sondern ein In-Ear-System.
Wenn ihr mit einem Amp-Modeler auf die
Bühne geht oder das Gitarrensignal direkt aus
der Vorstufe an das Mischpult abgebt, dann
spart ihr euch die Mikrofonierung
und die da-
mit einhergehenden Probleme, wie Über-
sprechen, Rückkopplungen, Phasenauslösch-
ungen, etc. Wichtig ist jedoch, dass dieses
Signal dann sauber zum Mischpult übertragen
wird. Mikrofone geben von Haus aus symme-
trische Signale ab, die vor Störeinstreuungen
relativ sicher sind. Euer Amp oder der Modeling-
Preamp wird in den meisten Fällen ein unsym-
metrisches Signal zur Verfügung stellen. Die
Ausgangsbuchse ist in diesem Fall meist eine
Monoklinke und die unsymmetrische Signal-
führung erkennt ihr daran, dass euer Klin-
kenstecker nur zwei – und nicht drei –
Kontaktflächen hat. Das unsymmetrische
Ausgangssignal sollte jetzt möglichst direkt
hinter dem Ausgang des Preamps symmetriert
werden – zum Beispiel mit Hilfe einer D.I.-Box.
D.I.-Boxen werden in sehr unterschiedlichen
Ausführungen und Preisklassen angeboten.
Eine D.I.-Box mit Trafo-Übertrager ist zwar et-
was teurer, aber gerade für Tube-Amps klang-
8
lich die bessere Lösung. Gute D.I.-Boxen wer-
den zum Beispiel von Palmer oder BSS angebo-
ten. Der Ausgang der D.I.-Box ist eine
XLR-Buchse, die das Signal über ein normales
Mikrofonkabel an die Stagebox abgibt.
9. Gebot:
Du sollst dir überlegen, ob
du mono oder stereo fährst
Gitarrensound in Stereo kann sehr gut kom-
men – die Frage ist nur, ob er auch im
Gesamtklangbild der Band funktioniert.
Wenn
ihr zum Beispiel mit kurzen Delays von 2 bis 10
Millisekunden arbeitet, dann ist dieser Effekt in
stereo sehr schön, weil er den Gitarrensound
breiter macht. In diesem Fall solltet ihr das tro-
ckene Signal nach links und das Delay nach
rechts pannen – dann bleibt in der Mitte mehr
Raum für den Gesang übrig. Auch ein Chorus-
Effekt kommt stereo sehr gut und erzeugt einen
schwebenden, breiten Charakter. Ein volumi-
nöses Hallprogramm hingegen vermatscht den
Gitarrensound und führt meist zu einem dif-
fusen Klangbild. Deshalb solltet ihr die Effekte
eher dezent einstellen und auch mit der ganzen
Band ausprobieren.
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Viele Anschlüsse bieten viele Möglichkeiten:
Ihr solltet euch deshalb vorher überlegen, ob ihr eure Sounds in mono oder
stereo fahren möchtet und wie ihr die Übertragung zum Pult verbessern könnt.
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„Lautlose E-Gitarre auf der Bühne“
eben nicht nur die Nerven, sondern kann even-
tuell sogar den ganzen Gig retten. Klar – gegen
alle Eventualitäten kann man sich nicht schüt-
zen. Aber eine gute Vorsorge in Kombination
mit etwas Improvisationstalent hilft, brenzlige
Situationen zu meistern.
11. Gebot
Du sollst auf perfektem
Monitoring bestehen
Im Idealfall In-Ear:
Je leiser der Amp auf der Bühne ist, desto wichtiger wird das Monitoring. Gerade beim Einsatz von
Preamps, die direkt in die PA gehen, ist gutes Monitoring unumgänglich.
10. Gebot
Du sollst einen
Plan B haben
Wenn viel Technik im Spiel ist, dann kann
auch viel schief gehen.
Das Publikum merkt da-
von meistens gar nichts, so lange man sich von
einem abstürzenden Rechner oder einem Wack-
ler im Kabel nicht irritieren lässt und Plan B aus
der Tasche zieht. Das ist zwar leichter gesagt als
getan, aber wenn ihr euch vor dem Gig mit mög-
lichen Fehlerquellen und deren Beseitigung be-
schäftigt, dann werdet ihr davon im Fall der
Fälle nicht überrumpelt werden. Ein Beispiel: Ihr
fahrt eure Loops vom Rechner ab und wollt si-
cher gehen, dass der Gig auch bei einem
Rechnerabsturz fortgeführt werden kann. Hier
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macht es Sinn, entweder einen Ersatzrechner,
einen Minidisc-Player oder ein ähnliches Gerät
mitzunehmen, auf dem zuvor ein Backup aufge-
spielt wurde. Wenn ihr ein Klinkenkabel mehr
als nötig im Gepäck habt, dann beruhigt das
Insbesondere wenn ihr auf der Bühne aus-
schließlich mit einem Modeling-Preamp arbei-
tet, müsst ihr auf einen möglichst perfekten
Monitorsound vertrauen können.
In diesem Fall
könnt ihr euch nicht mehr mit dem eigenen Amp-
Sound behelfen, wenn der Mischer das Monitoring
nicht auf die Reihe bekommt. Mit anderen
Worten: Ohne gutes Monitoring seid ihr verloren!
Deshalb empfiehlt es sich, für ein solches Setup
einen eigenen Monitormischer dabei zu haben,
der die Band, die Stücke und natürlich auch die
Technik genauso gut kennt
wie der FoH-Mann.
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Michael Simon
On Stage
Interview
Michael Simon ist als Gitarrist der Mittelalter-
Metaller Subway To Sally seit Jahren begeister-
ter Modeling-Software-Nutzer. Momentan
gehört sein Herz ganz Guitar Rig von Native
Instruments. Im Interview verriet er uns, was ihn
am Modeling reitzt und wofür er es einsetzt.
SOUNDCHECK: Seit wann befasst du dich mit
dem Thema Amp Modeler?
Michael Simon:
Eigentlich schon seit den Anfäng-
en. Ich fand das ganze Thema schon immer sehr
spannend. Das Schöne ist das Prinzip des Amps in
der Hosentasche. Du hast immer genau das parat,
was du brauchst. Für jemanden wie mich, der sehr
viel umherreist, ist das wirklich sehr praktisch.
SC: Wo setzt du Amp-Modeling ein?
MS:
Eigentlich überall. Zum Üben ist das Rig
großartig. Und da ich es auf meinem MacBook
habe, ist es natürlich auch immer und überall mit
dabei. Ob ich nun zu Hause bin oder auf Tournee
macht dann keinen Unterschied mehr. Im Studio
ist es fester Bestandteil der Vorproduktion. Bei
den Overdubs, wenn es um Effekte geht, ist
Guitar Rig zudem unschlagbar, weil man noch bis
in den Mix hinein volle Kontrolle hat.
SC: Nutzt du Guitar Rig auch live?
MS:
Live hatte ich das Rig nur kurz im Einsatz.
Das lag an der Sensibilität meines Rechners im
Bühnengeschehen. Wenn du so viel Pyrotechnik
nutzt wie wir, und tagein tagaus mit Explosions-
staub zu tun hast, kannst du deinem Rechner beim
Abkacken zuschauen. Darauf hatte ich keine Lust
und greife seitdem auf die 19“ Fraktion zurück.
SC: Was sind die Vorteile von Gitarrensounds
aus dem Rechner bzw. in welchen Punkten
musstest du dich umstellen?
MS:
Ich habe da wirklich eine Menge Vorurteile
über Bord geworfen. Das erste was mir aufgefallen
ist, war die Tatsache, dass die Software extrem
sensibel abbildet, was für ein Holz du in der Hand
hast. Auch die Legende vom kalten synthetischen
Sound ist Quatsch. Der große Vorteil des Sounds
aus dem Rechner – die extreme Vielfalt an Möglich-
keiten – ist dabei auch der größte Nachteil: Man
kann sich echt verzetteln. Es hilft sehr, wenn man
die Funktionsweise von Signalketten versteht. Inso-
fern wirkt sich die analoge Erfahrung positiv aus.
SC: Wie gehst du beim Erstellen neuer Sounds
beziehungsweise Presets vor?
MS:
Die Reihenfolge ist eigentlich immer die glei-
che. Amp und Boxen wählen. Amp einstellen, bis der
Sound dem entspricht, was ich brauche. Bei Bedarf
krame ich dann in den Effekten rum. Dabei bin ich
aber eher sparsam. Für mich besteht da zwischen
Analoggeräten oder dem Rig kein Unterschied.
Ein Backup-System zu haben ist enorm wichtig:
In den
Racks der Profis finden sich die wichtigsten Komponenten
daher meist in mehrfacher Ausführung.
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