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Workshop:
Vocals
Höher schneller weiter (1)
Der Stimmumfang beim Singen ist ein bisschen wie die PS-Zahl beim Formel-1-Boliden.
Worauf es ankommt um euren persönlichen Ferrari zu entwickeln und mit Leichtigkeit
ungeahnte Höhen zu erreichen, verrät euch Robin D. im Vocal Workshop.
Real Balance Singing – Teil 7
H
allo liebe Sänger und Ge
sangsinteressierte. Wie ein
paar PS mehr beim Überho
len auf der Autobahn mit dem Auto,
so erleichtert ein komfortabler Stimm
umfang beim Singen die Sache un
gemein. Neben eurer stimmlichen
Balance, der Power, Beweglichkeit
und Wiedererkennbarkeit eures ein
zigartigen Stimmsounds ist die Ran
ge – also der Umfang eurer Stimme
vom tiefsten bis zum höchsten sing
baren Ton – ein wichtiger Bestand
teil eurer gesanglichen Visitenkarte.
Und da dies ein sehr wichtiger und
umfangreicher Aspekt eurer Ge
sangsausbildung ist, werden wir die
sem Thema nicht nur diese eine Fol
ge widmen.
Teil des großen
Ganzen
Das Thema Range und Stimm
umfang ist eigentlich nicht geson
dert zu behandeln.
Schließlich er
gibt sich die Entwicklung der Stim
me und der damit verbundene
Stimmumfang normalerweise aus
der richtigen gesangstechnischen
Herangehensweise wie zum Bei
spiel im Real Balance Singing ganz
automatisch. Dennoch erscheint es
für sehr viele Sänger nicht selbst
verständlich, über eine komfortable
Range zu verfügen. Ist das über
haupt notwendig? Hat das nicht
mit Leistungsdenken zu tun? Au
ßerdem gibt es Hits die gerade mal
über eine halbe Oktave gehen.
Nicht stupides Leistungsdenken, son
dern vielmehr die künstlerische Frei
heit eure Gesangsperformances in
den verschiedensten Tonarten, La
gen und Farben klingen zu lassen,
macht eine breite Range erstrebens
wert. Zudem bedeutet ein Mehr an
Stimmumfang auch mehr Möglich
keiten, mehr Sicherheit, mehr Jobs,
mehr Einkommen als Profi, aber vor
allem – und das ist das wichtigste
– mehr künstlerische Freiheit.
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SoundCheCk 03 08
/
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Fotos: Imago
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Range – angeboren
oder antrainiert?
Vielfach bekommen Sänger zu
hören, es gäbe eben nur die Ran
ge mit der man geboren ist, plus
ein bis zwei Halbtöne mehr.
Diese
Stimmumfangerweiterung ließe
sich in der Gesangsausbildung,
aber nur mit dem nötigen Fleiß
über die Jahre erreichen – mehr
wäre halt einfach nicht drin. Die
se These ist jedoch so nicht ganz
richtig. Natürlich gibt es Vocalis
ten mit unterschiedlichen natür
lichen Voraussetzungen, also einem
größeren oder kleineren Stimmum
fang. Allen gemeinsam ist aber
die Möglichkeit, die vorhandenen
Anlagen gesangstechnisch auszu
bauen, sodass eine verbesserte
Performance für Höhe und Tiefe
entsteht.
Schöpft aus dem Vollen.
Die
meisten Sänger nutzen als Autodi
dakten in Pop/Rock oft gerade mal
zwei Drittel ihres Stimmumfangs,
vor allem in der Höhe. Zu meinem
Erstaunen trifft dies leider sogar
auf Sänger/innen mit abgeschlos
sener Gesangsausbildung zu, un
abhängig ob Klassik oder Jazz/Pop.
Das schränkt sie in ihrem Tun, so
wohl in der Ausbildung als auch im
späteren Sängerberuf, natürlich
gravierend ein.
Robin D. Vocal Tipp:
Hohe Lage
Die Begeisterungsrufe „Wuuh
wuuh wuhh (oder so ähnlich)“ bei
Konzerten funktionieren wir hier
kurzerhand in eine stimmübung um.
Beginnt das oktave-Downlick relativ
hoch in eurer Kopfstimmlage und
singt, oder besser ruft die tonfolge
über oktave, Quinte, terz und grund-
ton nach unten. Dann arbeitet euch
halbtonschrittweise nach unten.
so rutscht eure Kopfstimme immer
mehr in die Bruststimmlage und ihr
werdet bewusst oder unbewusst
schon bald ein erstes gefühl für die
so genannte mischung
bekommen. Vermeidet ein
stark hörbares switchen in
die Bruststimme indem ihr
die Lautstärke bei Bedarf
etwas zurücknehmt und
einen für die Lage weiche-
ren sound zulasst.
Wie funktionierts?
Hört euch
von Blur den Refrain ihres ti-
tels „song 2“ an, dann wisst ihr
wie die Übung klingen muss.
Stimm- &
Singumfang – ein
Unterschied?
Als Singumfang bezeichnet man
die zum Singen eines Songs ver
wendbaren Töne, als Stimmum
fang alle produzierbaren Töne ein
schließlich beispielsweise Quiet
schen oder Knurren.
Gerade für
Pop, Rock oder Rn’BSänger ver
schwimmt dieser Unterschied, da
wir zum Teil genau diese Sounds in
unsere Songs mit einbauen.
Beachtet bitte auch, dass es
nicht nur in eine Richtung geht.
Die meisten von uns denken näm
lich bei dem Begriff Range zualler
erst an die hohen Töne. Nicht zuletzt
weil die Höhe für viele Vokalisten
scheinbar auch am schwierigsten
zu erreichen ist. Genauso wichtig
sind aber auch eure tiefen Töne!
Nicht wenige Frauenstimmen ha
ben in rockigen Songs so ihre Pro
bleme in der tiefen Lage die nötige
Präsenz aufzubringen. Das liegt
weniger an deren Veranlagung als
vielmehr am richtigen, für die
Stimme angepassten Training und
den passenden Songs.
topaktuell!
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Workshop:
Vocals
Musikalisch unterscheidet un
ser Ohr Tonhöhenunterschiede auf
Grund der in unserem Notensy
stem üblichen Intervalle
und der
damit verbundenen, physikalisch
unterschiedlichen Schwingungsge
schwindigkeit von Ton und Stimm
lippen. Das heißt:
Tiefer Ton =
langsame Schwingung
Hoher Ton =
schnelle Schwingung
Diese Geschwindigkeit nennt man
Frequenz, die Einheit der Schwin
gung pro Sekunde wird in Hertz
(Hz) gemessen.
Der Kammerton A
Robin D. Vocal Tipp:
Tiefe Lage – Knurren
Ja wirklich, auch wenns komisch
klingen mag; knurrt einfach mal wie
ein Hund. anfangen solltet ihr mit
geschlossenem mund auf mmmm,
dann dürft ihr es noch ein bisschen
übertreiben und leicht zähnefletschend
den Kiefer fallen lassen und den mund
ein wenig öffnen. Vermeidet dabei
zuviel mundbreite und jeglichen Druck.
später dann auf aaaaah und wenn das
gut klappt, mit allen anderen Vokalen
knurren. Es darf ruhig hässlich klingen.
mit etwas Übung bekommt eure tiefe
Lage so schon bald mehr Power.
Die Kopfstimme ist aber den
noch ein wichtiger Bestandteil eu
rer Stimme und muss deshalb
selbstverständlicher Teil eures Trai
nings sein.
Auch dabei geht es wie
der um die richtige Balance. Es darf
nicht „entweder oder“ sondern
muss vielmehr „sowohl als auch“
geübt werden. Einer Bruststimme
sollte auch in der Rockmusik immer
ein gesunder Kopfstimmanteil bei
gemischt sein.
Ballast abwerfen
und Mixen
Auch ein Ski oder Hochspringer
vermeidet unnötigen Ballast um
perfekt in die Höhe zu kommen
und hat im Absprung trotzdem je
de Menge Kraft zur Verfügung.
Ähnlich ist das Ziel eines guten Ge
sangstrainings! Geht die Übungen
immer entspannt an und ver
krampft euch nicht.
Doch was bedeutet das für euch
genau:
Die beiden Register sind so
zu mischen, dass eine Stimme ent
steht, die weder mit brachialer
Kraft gebrüllt, noch hilflos gesäu
selt wirkt. Ihr kennt vielleicht die
eine oder andere Übung schon,
habt aber aus welchen Gründen
auch immer, nicht so viel damit er
reicht. Schließlich gibt es unzählige
Varianten für jede noch so genau
beschriebene Übung. Es ist also gut
möglich, dass ihr ähnliche Übungen
erneut macht und sofort den ge
wünschten Erfolg erzielt. Es kommt
demnach nicht so sehr auf das Was
als auf das Wie an.
Robin D.
Bruststimme – zu
schwer für die Höhe?
Wenn wir uns das Prinzip, je hö
her der Ton desto schneller die
Schwingung,
vor Augen halten,
wird klar, dass zur Höhe hin die
Masse die wir bewegen, weniger
werden muss. Beim alleinigen Ein
satz der Bruststimme wird die ge
samte Masse und Länge – quasi das
Maximalgewicht des Stimmmuskels
– bewegt und je nach Tonhöhe ge
dehnt. Das wäre zwar einfach und
wird auch oft so unterrichtet, ihr
erreicht so aber leider nie eure in
dividuelle TopHöhe, weil ihr bild
haft gesprochen zuviel Ballast mit
schleppt. Einer der häufigsten Feh
ler beim Üben der hohen Stimmlage
ist, mehr und mehr Kraft aufzu
wenden um den hohen Ton noch zu
kriegen. Für viele Sänger ist dieser
sportliche Ansatz leider ganz nor
mal. Dass dies nicht sein muss,
könnt ihr beim RealBalanceSing
ingCoaching herausfinden.
Beim Einsatz der Kopf
stimme wird, anders als in
der Bruststimme, in eurem
Kehlkopf weniger Masse be
wegt und ihr erreicht somit
weit höhere Töne.
Es klingt
aber für Pop/RockSänger/
so gar nicht überzeugend,
nicht wahr? Das wäre also
eine weitere Technik, die
euch zwar weniger stimm
schädigend, aber letztlich
genauso unbefriedigend
eure TopHöhe – nach eu
rer Vorstellung – wohlklin
gend erreichen lässt.
Im Übergang zwischen Brust
und Kopfstimme eine Mischung zu
finden, die kräftig klingt, ist ein
wichtiger Schritt zum so genann
ten EinregisterSingen.
Hört euch
nur mal Aretha Franklyn, Anastacia
oder Xavier Naidoo an. Die singen
durch die gesamte Range mit
gleichbleibend hoher Soundquali
tät, ohne Bruch oder Jodeleffekt
der beim untrainierten Sänger die
Bruststimme oft in die Kopfstimme
kippen lässt und umgekehrt. Das
sind die Merkmale einer ausbalan
cierten Stimme. Zu guter letzt
wünsche ich euch viel Spaß mit
der Jubel und Knurrübung. In
diesem Sinne bis zum nächsten
SOUNDCHECK.
✦
Robin D.
Irrtümer und Wahrheiten
Wahrheit
Stimmbänder von Frauen sind kür-
zer als die von Männern.
Richtig: aufgrund des kleineren Kehl-
kopfes und entsprechend kürzeren
stimmlippen klingen Frauen auch eine
oktave höher als die entsprechenden
männerstimmen.
Einregisterstimme:
Xavier Naidoo erreicht
einen große und umfangreiche Range.
beispielsweise hat eine Frequenz von
440 Hz. Beim Verdoppeln dieser
Schwingungen, habt ihr eine Oktave
nach oben realisiert und seid wieder
beim A – beim Halbieren verält es
sich folgerichtig genau umgekehrt.
Irrtum
No Pain No Gain.
Falsch: ganz nach dem motto „der
muskel muss brennen“, wie man es
aus Kraftsportarten kennt, ist beim
singen kein befriedigendes Ergebnis
zu erzielen.
ist einer der gefragtesten Vocalcoaches im
musikbusiness mit europaweiten top-Char-
terfolgen seiner Klienten und schüler. Er hat
so manchen größen gesanglich das Quänt-
chen mehr entlockt, junge Vocalartisten auf
Chartkurs gebracht, oder stimmprobleme
auf tour gelöst. Er arbeitet als Vocalcoach
für Plattenfirmen, tV-Produktionen, mana-
gements und deren Künstler. Des Weiteren
ist er Dozent an der Pop Vocal academy münchen, Fachautor, bildet gesangslehrer
aus, ist Leiter der Voice-train-Pop-Vocal-studios und ist zu guter letzt dem breiten
Publikum als Pro7-Popstars-Vocalcoach bekannt. Die außergewöhnlichen Fortschrit-
te seiner schüler gründen auf der von ihm entwickelten Real-Balance-singing-
methode, mit der immer mehr sänger aus den verschiedensten Bereichen wie Pop,
Rock, soul, R’n’B bis metal große Erfolge verbuchen und die wir euch in diesem
mehrteiligen Vocal-Workshop mit Robin D. gerne vorstellen wollen. Näheres zu
unserem autoren erfahrt ihr unter: www.robin-d.com und www.voice-train.com
www.SoundCheCk.de